Mit dem Arztgruppenfall zu einem gerechten Honorarsystem

Seit der Honorarreform 2009 und der Einführung des Behandlungsfalls haben MVZ und andere kooperativ tätige Strukturen, mit einem Problem zu kämpfen:

Erbrachte ärztliche Leistungen werden in MVZ / BAG nicht in entsprechendem Maße honoriert, wie in Einzelpraxen.


Der BMVZ setzt sich dafür ein, die Diskriminierung gegenüber kooperativen Strukturen zu beenden. Im folgenden werden Hintergründe und Lösungswege für ein gerechteres und transparentes Abrechnungssystem aufgzeigt:

Auswirkungen des Behandlungfalles
Arztgruppenfall als Systemgrundlage
Forderung des BMVZ


Die Auswirkungen des Behandlungsfalles

Der Behandlungsfall beschreibt abrechnungstechnisch alle Arztkontakte eines Patienten innerhalb einer Praxis in einem Quartal. Für ein MVZ oder eine BAG bedeutet das, dass für einen Patient nur ein Behandlungsfall abgerechnet werden kann, obwohl er unter umständen noch die Konsultation eines zweiten oder dritten Arztes in der Einrichtung in Anspruchen nehmen musste. Durch diese Regelung werden kooperativ tätige Ärzte abrechnungstechnisch diskriminiert. Zwar wurde mit dem Kooperationszuschlag ein Ausgleichsmechanismus geschaffen, der aber nur in unzureichendem Maße die Honorarausfälle kooperativ tätiger Ärzte kompensiert.


Hintergründe zum Arzt-& Behandlungsfall

Diese honorarrelevanten Definitionen sind Folge der vielfältig gewordenen Versor­gungs­­strukturen. Mit Einführung der RLV im Jahr 2009 wurde zum bekannten Arztfall, also der Rechengröße für die Gesamtheit aller Kontakte eines Arztes am selben Patienten innerhalb eines Quartals, zusätzlich der so getaufte Behandlungsfall eingeführt. Damit wird die Gesamtheit der Kontakte aller Ärzte einer Arztpraxis am selben Patienten innerhalb des Quartals abrech­nungs­technisch umschrieben.

In einer Einzelpraxis sind Arztfall- und Behandlungsfallzahl per Definition stets gleich groß, während es bereits in einer Zweier-Praxis immer mehr Arztfälle als Behandlungsfälle gibt, da bei letzteren die Kontakte, bei denen derselbe Patient beide Ärzte in Anspruch genommen hat, nur einfach gezählt werden. Logischerweise wächst die Differenz zwischen Arzt- und Behandlungsfällen mit der Größe einer Praxis und hängt auch davon ob, ob man z.B. eine fachgleiche BAG oder ein fachübergreifendes MVZ betrachtet.

Als Praxis zählt hierbei jeweils die gesamt BAG, bzw. das ganze MVZ. Je größer und fachkomplexer ein MVZ, oder eine BAG also ist, umso intensiver ist der Honorareffekt, der entsteht, weil seit 2009 der Honoraranspruch nur einmal im Behandlungsfall ausgelöst wird.

Hintergründe zum Behandlungsfall & Kooperationszuschlag

Die Behandlungorientierung bildet seit 2009 die Basis der Honorarabrechnung im ambulanten Bereich – hinsichtlich von Zuschlägen, Ausschlüssen oder eben den TSVG-Vergütungsanreizen gilt dies auch in KV-Regionen, die ansonsten die RLV-Systematik wieder abgeschafft haben. Zum Ausgleich der durch dieses System bedingten Honorarverluste bei BAG und MVZ wurde der sogenannte Kooperationszuschlag eingeführt. Dieser stellt somit keineswegs einen Zuschlag im Sinne eines ‚Mehr an Honorar‘ dar, sondern soll nichts weiter als die systematisch angelegte Honorardiskriminierung von Kooperationen ausgleichen. Dies erfolgt grundsätzlich unvollständig und in den 17 KV-Regionen in mittlerweile sehr verschiedener Höhe.

Es ist daher falsch, von der Existenz des Kooperationszuschlages auf eine honorar­recht­liche Besser­stellung ärztlicher Kooperationen zu schließen. Das Gegenteil ist der Fall. Dies insbesondere, da die Behandlungsfallorientierung sich als roter Faden durch die gesamte Ab­rechnungs­systematik zieht und damit gerade bei fachübergreifend aufgestellten Kooperationen weitere negative Honorareffekte z.B. beim Laborwirtschaftlichkeitsbonus oder bei der Zusatzpauscahle für die fachärzt­liche Grundversorgung (PFG) nach sich zieht.

Sichtbare Folge ist u.A. der auffällige Anstieg bei den Gründungszahlen fachgleicher MVZ, seit diese im Sommer 2015 für zulässig erklärt wurden, da fachübergreifende Kooperation zwar nach wie vor unstrittig sinnvoll ist, aber betriebswirtschaftlich durch die dargestellten Umstände oft nur unwirtschaft­lich umgesetzt werden kann.


Arztgruppenfall als neue Systemgrundlage

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Um diese Ungerechtigkeit in der Abrechnungspraxis zu beheben, setzt sich der BMVZ schon seit längerem dafür ein, den Arztgruppenfall als Abrechnungsgrundlage zu etablieren.

Der nun eingebrachte Vorschlag von der KBV und dem GKV-Spitzenverband den Arztgruppenfall bei der Umsetzung der TSVG-Honoraranreize anzuwenden wird daher vom BMVZ ausdrücklich begrüßt.

Die nun erfolgte Einführung des Arztgruppenfalls, der Elemente der Arztfall- sowie der Behand­lungs­fall­­zählung in sich vereint, ist geeignet, das geschilderte ‚Honorarproblem‘ systematisch zu beheben. Es setzt auch – betrachtet man die Anreizeffekte aus der Sicht des Gesamtsystems – die absolut richtigen Honoraranreize. Faktisch werden dadurch arztgruppengleiche Kontakte des Patienten weiter als ein Behandlungsfall gewertet, während fachverschiedene Arztkontakte (Beispiel Besuch im Quartal bei Hausarzt & Chirurg) wie bei der Arztfallzählung jeweils einen Honoraranspruch auslösen.


Forderung des BMVZ
  • Schaffung eines einfacheren und transparenterem Honorarsystems durch Anwendung des Arztgruppenfalls auf die gesamte Abrechnungssystematik.
  • Als Folge könnte das komplizierte Zuschlagssystem (Kooperationszuschlag) für MVZ ersatzlos entfallen. Lediglich die zehnprozentige Zuschlagspauschale für fachgleiche BAG oder MVZ-Abteilungen, wäre fortzuführen.
  • Erreicht würde dadurch die gleiche Vergütung ärztlicher Leistungen egal, ob sie durch ein MVZ / BAG oder eine Einzelpraxis erbracht werden.