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Auf dem Praktikerkongress wurde im Zusammenhang mit dem TSVG von der kurzweiligen Entsperrung von Rheumatologen, Psychologen und Pädiatern gesprochen. Wir haben dies so verstanden, dass dieses bundesweit, also auch für grundsätzlich überversorgte Gebiete gelten soll.
Können Sie mir Auskunft darüber geben, ob diese Änderung der Bedarfsplanung tatsächlich in Kraft tritt oder nicht? Gerne würden wir in diesem Zeitfenster aktiv werden und einen zusätzlichen Arzt beschäftigen.
Antwort
(bearbeitet Oktober 2018):
Sehr geehrte(r) Frau/Herr XY,
Eine solche Regelung ist tatsächlich Bestandteil des Gesetzesentwurfes – sowohl in der Fassung des Referentenentwurfes vom Sommer wie auch in der offiziellen Kabinettsfassung, die am 26. September 2018 beschlossen wurde. Nachfolgend finden Sie die geplante Änderung im Wortlaut – per Mausklick öffnet sich die Grafik in Lesegröße:
Sinngemäß soll geregelt werden, dass in Fachgebieten, wo ganz offensichtlich Versorgungsprobleme bestehen, die bestehenden Zulassungsbeschränkungen befristet aufgehoben sind. Genannt sind die Rheumatologie, die Pädiatrie und Psychiatrie/Psychologie. Dies gilt jedoch nur für Ärzte, die neu in das System kommen, die also in den letzten fünf Jahren weder niedergelassen noch angestellt vertragsärztlich tätig waren.
Die Befristung soll bis zu dem Zeitpunkt, an dem der eigentlich zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) endlich mit seinen Beratungen zur Überarbeitung der Bedarfsplanung fertig ist, gelten. Vor dem Hintergrund, dass diese Aufgabe schon längst hätte abgeschlossen sein sollen, kommt mit diesem Änderungshaben vor allem die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, den GBA an dieser Stelle zu einer nun zügigen Entscheidungsfindung zu bringen.
Gegebenenfalls können Sie davon profitieren. Bitte beachten Sie bei Ihren Überlegungen jedoch zusätzlich zu dem engen Rahmen, der mit der Änderung definiert wurde, auch die nachstehenden Ausführungen:
Mit dem Inkrafttreten das Gesetzes, das ja noch relativ am Anfang des parlamentarischen Prozesses steht (und entsprechend noch viel Änderung erfahren wird) ist – nach jetzigem Stand – frühestens zum 1. April 2019 zu rechnen.
TSVG & MVZ: Vom Entwurf zum Gesetz
Da es also ohnehin nicht um eine echte – sondern wie oben dargestellt – sehr beschränkte Öffnung dieser Fachbereiche geht, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diesen Passus in den Gesetzgebungsprozess integriert hat, hauptsächlich um den GBA unter Druck zu setzen, „seinen gesetzlichen Auftrag endlich umzusetzen“. Der darin besteht, „die mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz angeordnete Überprüfung der Bedarfsplanung zügig abzuschließen und die erforderlichen Anpassungen für eine bedarfsgerechte Versorgung nunmehr vorzunehmen.“ (Die Zitate sind Auszüge aus der amtlichen Begründung dieser Änderung.)
Zu dieser Annahme passt, dass parallel in § 101 Absatz 1SGB V eine weitere, inhaltlich komplementäre Änderung vorgesehen ist: „Der Gemeinsame Bundesausschuss trifft mit Wirkung zum [1. Januar 2017 wird ersetzt durch 1. Juli 2019] die erforderlichen Anpassungen für eine bedarfsgerechte Versorgung nach Prüfung der Verhältniszahlen gemäß Absatz 2 Nummer 3 und unter Berücksichtigung der Möglichkeit zu einer kleinräumigen Planung, insbesondere für die Arztgruppe nach Absatz 4.“

Verlinkung zur Vorstellung des GBA-Gutachtens zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung v. 18.10.2018
D.h., von vornherein war dieser Passus ausschließlich als Ersatzregelung für den Fall vorgesehen, dass der GBA erneut seine Frist verstreichen lässt. Nur, wenn der GBA bis zum Inkrafttreten des TSVG keine Anpassung vornimmt, tritt die Entsperrung in Kraft. Davon dürfte jedoch kaum auszugehen sein, insbesondere wenn das gesamte Gesetz – wie ursprünglich geplant – doch erst zum Sommer 2019 kommen sollte.
Nach jetzigem Stand schätzen wir diesen Passus des Gesetzesentwurfes daher als strategische Drohgebärde des BMG an den GBA ein. Das mag sich im nächsten Sommer als falsch herausstellen … aber Fakt ist, die nächsten paar Monate lässt sich so oder so kein Handeln darauf aufbauen, da dem Gesetzentwurf im aktuellen Stadium keinerlei Bindungswirkung zukommt.
Hinzu kommt, dass die Zahl an niederlassungswilligen Rheumatologen oder Pädiatern, die in den letzten fünf Jahren nicht vertragsärztlich tätig waren, also in aller Regel frisch aus dem Krankenhaus kommen, wahrscheinlich nicht allzu groß sein dürfte. Eventuell ist es für MVZ hier leichter, entsprechende Ärzte aus dem Krankenhaus abzuwerben und anzustellen. Insgesamt ist die gesamte Regelung jedoch so limitierend gestaltet, dass die Freiheit in den drei genannten Fachgruppen so oder so für die meisten Betroffenen und/oder Interessierten nur eine ‚Schein-Freiheit‘ sein dürfte.
Wenn diese Fachbereiche jedoch für Sie strategisch von Belang sein sollten, lautet der Rat, die Beratungen rund um das TSVG gut im Auge zu behalten und entsprechend vorbereitet zu sein.
Denn wenn zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und Erlass der entsprechenden Vereinbarung des GBA letztlich wirklich ein zeitlicher Versatz liegen sollte, wäre dieser (wahrscheinlich eher kurze) Zeitraum das Delta, um Ihren Zulassungsantrag zu stellen und trotz Sperren genehmigt zu bekommen.
Im Übrigen haben viele KV-Bereiche für die genannten Gebiete jetzt schon gelockerte Bedingungen für die Genehmigung von Sonderbedarfszulassungen. Eventuell lohnt es daher, parallel diesen Weg einmal strategisch zu durchdenken.

