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Der Bundesverband MVZ ist 30 Jahre | 1992 – 2022

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Schon gewusst? | 30 Jahre – 30 Tage – 30 Fakten

Wie die Medizinischen Versorgungszentren
(MVZ) zu
ihrem Namen kamen

Erinnerung von Franz Knieps,
2003 – 2009 Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium:

In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die im Sommer 2003 das GMG erarbeitete, kam es zu grotesken ideologischen Scharmützeln, als es um die Zulassung integrierter Versorgungseinrichtungen mit angestellten Ärzten ging. Dabei spielte Professor Wolfgang Böhmer (CDU), damaliger Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und zu DDR-Zeiten Gynäkologe sowie langjähriger Chefarzt in einem Krankenhaus in Lutherstadt Wittenberg, eine segensreiche Rolle.

Als eine CDU-Abgeordnete sich zu der Behauptung verstieg, nur ein frei niedergelassener Arzt könne ein guter, weil in seiner Entscheidung freier Arzt sein, fragte Wolfgang Böhmer sie sinngemäß: «Verehrte Frau Kollegin, wollen Sie damit etwa sagen, dass die 30 Jahre, in denen ich als angestellter Arzt gearbeitet und über 10000 Kinder zur Welt gebracht habe, verpfuscht waren?» Damit war die Sache erledigt. Dieselbe Abgeordnete wehrte sich auch vehement gegen die Bezeichnung «Gesundheitszentrum» für integrierte Einrichtungen in der ambulanten Versorgung. Das seien die ehemaligen Polikliniken der DDR, die Regine Hildebrandt in Brandenburg am Leben erhalten habe, und dieses Modell lehne sie ab.

Daraufhin ging Wolfgang Böhmer zu den Beamten des BMG und meinte, sie seien doch intelligente Menschen, da werde ihnen bestimmt eine andere Bezeichnung einfallen. Die Fachleute des BMG verständigten sich daraufhin mit Fraktionsmitarbeitern der Union nach dem Vorbild der «medical centres» in den USA auf den Namen Medizinische Versorgungszentren (MVZ).

Zitat aus: Franz Knieps, Hartmut Reiners (Bern – 2015 | Seite 262)
„Gesundheitsreformen in Deutschland. Geschichte – Intentionen – Konfliktlinien“


30 Jahre – 30 Tage – 30 Fakten
Schon gewusst?

 

… dass Ärzte in MVZ exakt denselben Regeln unterliegen, wie ihre Kollegen in selbständiger Niederlassung?

Angestellte und niedergelassene Ärzte sind gleichermaßen vertragsärztlich tätig. Ihre Arbeit wird maßgeblich durch das ärztliche Berufsrecht, den Bundesmantelvertrag-Ärzte, die Bedarfsplanungsrichtlinie sowie die Zulassungsordnung bestimmt. Für angestellte Ärzte gilt dabei kein Sonderecht – sie unterliegen denselben Vorschriften bezüglich der Aus- und Fortbildung, der Qualitätssicherung, aber auch hinsichtlich von Abrechnung, Budgetierung oder Wirtschaftlichkeitsvorgaben.


… dass bis heute einige frühere DDR-Polikliniken Patienten versorgen, die bei der Gesundheitsreform 2003/04 zum Vorbild der MVZ wurden?

Der Einigungsvertrag hatte in § 311 SGB V eine Bestandsgarantie für DDR-Polikliniken vorgesehen – vor allem in Brandenburg und Berlin sind solche, deswegen auch 311er-Einrichtungen genannten Gesundheitszentren bis heute aktiv. Im Vorfeld der Gesundheitsreform, mit der ab 2004 MVZ zulässig wurden, hatte es einen regelrechten Politiker-Tourismus zu ihnen gegeben, da sie mit ihrem poliklinischen Ansatz das Vorbild der MVZ waren. Heute ist ihre Rechtsgrundlage in § 402 Absatz 2 SGB V verankert.


… dass es kaum zwei gleiche MVZ gibt?

Die rechtlichen Vorgaben sind denkbar knapp als Minimumsregel gefasst. Mindestens zwei Ärzte müssen zusammen tätig werden. Darüber hinaus ist die Größe nicht begrenzt und alle Arten von Fächerkombinationen, einschließlich fachgleicher MVZ sind zulässig. Zudem sind verschiedene Träger zulässig. Die Folge ist eine sehr große Strukturvielfalt innerhalb der MVZ-Landschaft, die sich auch nur schwer statistisch abbilden lässt.


… dass bei der jährlichen MVZ-Statistik der KBV sogenannte Zahn-MVZ nicht mitgezählt werden?

Die meist im Spätherbst veröffentliche MVZ-Statistik beruht auf den Angaben der 17 regionalen KVen, die aber nur für die humanmedizinischen Fachrichtungen und Ärzte zuständig sind. Die Zahnärzte sind davon getrennt in den KZVen – den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen – organisiert. Und so gibt deren Bundesvereinigung, die KZBV, auch eigene MVZ-Zahlen heraus, die sich wiederum nur auf MVZ mit zahnärztlicher Beteiligung (oft Z-MVZ abgekürzt) beziehen.


… dass während der 16 Jahre Kanzlerschaft von Angela Merkel fünf verschiedene Personen als BMG-Chef die Praxisform MVZ rechtlich weiterentwickelt haben?

Bevor im Dezember 2021 Dr. Karl Lauterbach (SPD) Bundesgesundheitsminister wurde, hatte das Amt Jens Spahn von der CDU für vier Jahre inne. Sein Vorgänger 2013 – 2017 war Hermann Gröhe, ebenfalls CDU. In der Parlamentsperiode von 2009 – 2013 war das BMG der FDP zugeordnet – die das Amt zuerst mit dem Arzt Philipp Rösler und später mit Daniel Bahr besetzte. Im ersten Kabinett Merkel zwischen 2005 und 2009, hinter dem eine schwarz-rote Koalition stand, hatte das Amt Ulla Schmidt (SPD) inne, die es schon seit 2001 ausübte. Über alle vier Legislaturperioden, und damit über alle Parteigrenzen hinweg, wurde die MVZ-Gesetzgebung kontinuierlich weiterentwickelt.


… dass zahlreiche MVZ ärztlicher Gründer in der Rechtsform des ‚Einzelunternehmens‘ geführt werden?

Nimmt man die jährliche MVZ-Statistik der KBV zum Ausgangspunkt waren Ende 2020 gut 3.200 MVZ rechtlich entweder als GmbH oder als GbR aufgestellt. Die Gesamtzahl der MVZ lag zeitgleich jedoch um etwa 650 höher bei 3.846 MVZ. Diese Differenz erklärt sich überwiegend durch MVZ in der Rechtsform des Einzelunternehmens, bei der der Gründerarzt ohne Beteiligung weiterer Personen oder Gründung einer Kapitalgesellschaft rechtlich als Kaufmann gemäß Handelsgesetzbuch agiert. Weitere, nur selten gewählte Rechtsformen, sind die Anstalt öffentlichen Rechtes (AöR) oder die Partnerschaftsgesellschaft (PartG).


… dass 2022 für die KV-Welt ein Superwahljahr ist?

Alle sechs Jahre werden die KV-Parlamente, genannt Vertreterversammlung, neu bestimmt – zuletzt in 2016. Wahlberechtigt sind alle KV-Mitglieder, d.h. auch die angestellten Ärzte und Ärztinnen, wenn sie mindestens 10 Stunden die Woche ambulant tätig sind. Jede KV bestimmt über Satzung und Wahlordnung ihre eigenen Wahlregeln. Dass angestellte Ärzte wie ihre niedergelassenen Kollegen aber sowohl wählen als auch für das Ärzteparlament kandidieren dürfen, ist in § 77 Absatz 3 SGB V bundeseinheitlich festgeschrieben.


… dass der Autor Rainer Bobsin auf Basis akribischer Recherche regelmäßig ein Update zu ‚Private Equity-Aktivitäten bei MVZ‘ veröffentlicht?

Seit etwa 23 Jahren lassen sich Aktivitäten von sogenannten Private Equity Unternehmen in Deutschland nachweisen. Vor allem erfasst dies den Pflegebereich und die stationäre Versorgung. Relativ spät kamen die MVZ als Objekte von Interesse hinzu. Alle Bereiche beleuchtet der Autor gründlich. Dank der etwa jährlich erscheinenden Aktualisierung des Offizin-Verlages – lassen sich – anders als K(Z)Ven es bisweilen behaupten – die Aktivitäten von Investorengruppen im ambulanten Sektor recht gut nachvollziehen.


… dass jede/r zweite angestellte Ärztin/Arzt nicht im MVZ, sondern in einer Niederlassungspraxis arbeitet?

Die ärztliche Tätigkeit in Anstellung ist ambulant überhaupt erst seit 2004 erlaubt. 2007 setzte die Ärzteschaft durch, dass die Anstellungsoption neben MVZ gleichermaßen auch für Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) und Arztpraxen gilt. Ende 2020 wurden ambulant rund 45.600 angestellte Ärzte gezählt, von denen weniger als die Hälfte in einem MVZ tätig war. 52,7 Prozent waren vielmehr von einem ärztlichen Kollegen/einer ärztlichen Kollegin in dessen/deren Praxis angestellt.


… dass Bürger und Patienten während des Reformprozesses 2003 von der Einführung der MVZ kaum was mitbekommen haben?

Das GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 war ein ebenso umfangreiches wie stark diskutiertes Projekt. Aus Patientensicht war größter Aufreger die Einführung der Praxisgebühr in Höhe von 10 € zum 01.01.2004. Das ‚Ticket zum Doktor‘, das 2011 wieder abgeschafft wurde, war in der öffentlichen Debatte so vorherrschend, dass alle weiteren Reformelemente – wie z.B. die Diskussion um die Zulassung von MVZ – wenig Beachtung erhielten.

… dass es regional gesehen die meisten MVZ in Bayern gibt?

Von Beginn an hat Bayern die MVZ-Statistik angeführt. Bis Ende 2006 fanden 24 Prozent aller MVZ-Gründungen in Bayern statt (= 159 MVZ). 2020 lag die Gesamtzahl bei bundesweit 3.846 MVZ, von denen letztlich noch jedes fünfte (21 Prozent) eine bayerische Gründung ist. Das entspricht 805 MVZ im Freistaat. In der Statistik folgen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (mit 723 MVZ) und dann – mit größerem Abstand – Niedersachsen (341) und Berlin (335).


… dass das Ärztezentrum Büsum, das als kommunales Vorzeige-MVZ gilt, faktisch gar kein MVZ ist?

Erst im Juli 2015 wurden mit dem GKV-VSG für MVZ auch kommunale Trägerschaften zugelassen. Das Büsumer Ärztezentrum wurde bereits 2014 gegründet und nutzte dafür die Möglichkeiten nach § 105 SGB V. Formal ist es damit eine sogenannte kommunale Eigeneinrichtung. Praktisch macht das heute jedoch keinen Unterschied mehr. Insbesondere für Patienten ist das kommunale MVZ nicht von einer kommunalen Eigeneinrichtung unterscheidbar. Es gelten im Wesentlichen auch dieselben Regeln.


… dass es einen umfänglichen MVZ-Gründer-Leitfaden gibt, den Ärzte ggf. kostenfrei bei ihrer KV beziehen können?

Bereits in vierter Auflage gibt es den Leitfaden für Gründer, der sich insbesondere an Vertragsärzte richtet, die ein MVZ gründen wollen. Herausgeber ist die KBV, die einen systematischen Überblick über die Themenbereiche Unternehmensbeschreibung, Vertragsgestaltung, Investitions- und Finanzplanung sowie Management von Organisation und Qualität gibt. Checklisten, die auf die einzelnen Themen abgestimmt sind, unterstützen die Entscheidungsfindung und die konkrete Planung eines Gründungsvorhabens. Hinweise zum Bezug finden Sie auf der Homepage der KBV.


… dass viele MVZ über Zweigstellen auch in der Fläche Versorgung anbieten?

MVZ gelten als ‘Einrichtung’ und bieten damit per Definition eine räumlich konzentrierte Versorgung an. Viele MVZ betreiben jedoch neben dem Hauptstandort auch sogenannte Zweigstellen oder Filialen, in denen an weiteren Orten, z.B. in den umliegenden Dörfern reguläre Sprechstunden angeboten werden. Organisatorisch zählt der Hauptstandort zusammen mit all seinen Filialen als ein MVZ.


… dass die Zulässigkeit von Praxisassistenzen, wie AGnES oder die NäPas, lange sehr umstritten waren?

In Deutschland gilt der Arztvorbehalt. Das heißt: Nur Ärzte dürfen medizinische Leistungen erbringen. Nichtärztliche Assistenzen, die eigenveranwortlich z. B. Hausbesuche durchführen, Medikamente richten oder Sprechstunden führen, werden teils als Bedrohung für den Arztberuf wahrgenommen. Die Debatte wurde und wird unter den Schlagworten Delegation versus Substitution geführt und mutet aus den EU-Nachbarländern sicher seltsam an, da dort vielfach nicht-ärztliche Fachkräfte wie Hebammen oder KrankenpflegerInnen sehr umfassend Verantwortung tragen.


… dass es in Westberlin noch bis 1958 eine einheitliche Krankenversicherung für alle Bürger gegeben hat?

Die Nachkriegsgeschichte Westberlins als Drei-Mächtestadt unerschied sich in vielen Punkten von der Entwicklung der Trizone (seit 1949: BRD). So wurde 1945 mit der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) für die Krankenversicherung eine Einheitsversicherung eingerichtet, die tatsächlich bis 1958 tätig war. Erst dann wurde das Krankenversicherungsrecht der BRD auf Westberlin übertragen und das gegliederte System eingeführt. Aus der VAB ging die AOK Berlin hervor.


… dass das bei der Einheits-EXPO 2020 gezeigte Mikroskop dem ersten Chefarzt der Poliklinik Lübben gehörte?

Geschichte springt im Eck: Der Großvater einer der neun ehrenamtlichen Vorstände des BMVZ war Holländer, wurde aber in den 50er Jahre Chefarzt in Lübben, wo er eine der ersten Polikliniken der DDR mitbegründete. Die Familie kehrte später zurück ins Rheinland, wo der Enkel heute ein hausärztliches MVZ betreibt. Für die Einheits-EXPO stellte er dieses alte Mikroskop, das in der Poliklinik auch tatsächlich im Einsatz war, als persönliche Leihgabe gern zur Verfügung.


… dass Ulla Schmidt es bis heute als Gewinn für die Versorgung empfindet, sich mit ihren Plänen zu MVZ durchgesetzt zu haben?

Für die Einheits-EXPO und den Ausstellungskubus des BMVZ hat die 2003/04 verantwortliche Gesundheitsministerin, rückblickend Stellung bezogen. Sie schreibt: „Die Entscheidung, Medizinische Versorgungszentren nach ostdeutschem Modell einzuführen, war lange Zeit nicht unumstritten. Dass ich mich damals durchgesetzt habe, empfinde ich bis heute als Gewinn für die medizinische Versorgung in unserem Land. Bis heute bin ich für die Initiative aus Brandenburg sehr dankbar. Schon während der Einigungsverhandlungen 1990/91 haben wir als SPD dafür plädiert, die Andersartigkeit des ostdeutschen Gesundheitswesens nicht als Gefahr, sondern als Chance zur Erneuerung auch für die alte Bundesrepublik zu begreifen. Heute geben uns mehr als 3.100 Medizinische Versorgungszentren recht. Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie elementar ein gutes Gesundheitssystem ist und dass eine gute Versorgung in der Fläche unabdingbar ist. All das leisten die MVZ und ist ein gutes Stück gelebte Ost-West-Politik.“

… dass die Uniklinik in Hamburg eines der größten MVZ Deutschlands unterhält?

Es gibt einige sehr große MVZ, in denen beinahe alle Fachrichtungen vertreten sind und bis zu 20 oder 30 Ärzte zusammenarbeiten. Das Ambulanzzentrum des UKE Hamburg ist jedoch eines der größten mit mehr als 30 Fachrichtungen bzw. Fachbereichen und über 60 angestellten Ärzten.


… dass 85% aller deutschen Corona-Patienten von ambulanten Ärzten in Praxen und MVZ versorgt werden?

Dank des flächendeckenden Zugangs zu Haus- und Fachärzten für alle Patienten werden in Deutschland acht bis neun von zehn an Covid-19 erkrankten Patienten ausschließlich ambulant betreut. Durch den hohen medizinischen Standard der Arztpraxen und MVZ bleiben so die Krankenhäuser für die wirklich schweren Fälle frei, und vielen Patienten der stationäre Aufenthalt erspart.


… dass wir überzeugt sind, dass Kooperation Zukunft ist?

„Wo ist mein Arzt?“, ist die zunehmend häufiger gestellte Frage. Kooperation und auch eine gewisse Konzentration von Expertise und Personal ist dabei der Schlüssel, die begrenzten Ressourcen zum Nutzen der Patienten möglichst effizient einzusetzen. MVZ sind eine Struktur, mit der auf sinnvolle Art Gutes aus der Vergangenheit an die Erfordernisse von heute angepasst wurde und mit denen eben dieses Ziel erreicht werden kann.


… dass jede Fachgruppe Teil eines MVZ sein kann?

Insgesamt gibt es nach der Weiterbildungsordnung in der Humanmedizin über 30 verschiedene Fachgruppen, wobei sich manche wie die Internisten noch einmal in Subspezialisierungen (Gastroenterologe, Kardiologe, etc.) unterteilen. Hinzu kommen die Zahnärzte, die eine eigenständige Fachgruppe darstellen. Sie alle können im MVZ vertreten sein, also auch nicht so geläufige Fächer wie Humangenetik, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie oder Mikrobiologie. Es gibt hier keine Vorschrift für ein ‘typisches’ MVZ.


… dass schon 2004/05 so viele MVZ gegründet wurden, dass der ursprüngliche Förderanreiz ersatzlos gestrichen wurde?

Damit ein Anreiz besteht, MVZ zu gründen, galt, dass Ärzte, die mindestens fünf Jahre im MVZ angestellt tätig sind, sich danach frei niederlassen können. Aufgrund der schnell unerwartet hohen Zahl von MVZ-Gründungen wurde diese als Fördermaßnahme gedachte Regelung ab 1.1.2007 ersatzlos gestrichen.


… dass der Begriff Ambulatorium in Österreich eine gängige Bezeichnung ist?

Österreichische Ambulatorien sind eine Kombination aus Arztpraxis und Krankenhaus, die entweder von Sozialversicherungsträgern, Kommunen oder von privaten Eigentümern geführt werden. Im August 2020 führte das Sozialministerium in Wien in seinem Verzeichnis über 900 selbständige Ambulatorien, von denen 90 Prozent fachärztlich ausgerichtet sind. Es gibt Ambulatorien, die fast das gesamte Spektrum der ärztlichen Versorgung anbieten. Andere sind auf bestimmte Themen spezialisiert sind – wie beispielsweise Röntgeninstitute oder Zahnambulatorien.


… dass im Berlin der 1920er Jahre mehr als 40 Polikliniken vom Krankenkassenverband betrieben wurden?

Damals stritten Krankenkassen und Ärzte über die Höhe des ärztlichen Honorars. Von den Berliner Ärzten wurde in diesem Zusammenhang zum 01.12.1923 unter dem Motto ‘Nie wieder Friede mit den Kassen’ die Barzahlung aller Behandlungen verlangt. Die Krankenkassen reagierten ab 1924 mit der Errichtung von aus Versichertengeldern finanzierten, eigenen und insgesamt sehr modernen Behandlungsstätten, in denen bei den Kassen angestellte Ärzte tätig waren. Von der Bevölkerung wurden diese sehr rege genutzt.


… dass sich der Rechtsrahmen von ambulanter und stationärer Medizin beinah diametral unterscheidet?

Im Krankenhaus werden Patienten von einem Ärzteteam behandelt, in das neben Ober- und Chefärzten vor allem auch Assistenzärzte, die gerade ihre Facharztausbildung machen, voll eingebunden sind. In Praxis und MVZ dürfen dagegen nur voll ausgebildete Fachärzte tätig werden, die zudem ihre Leistungen höchstpersönlich erbringen müssen und dafür einen personengebundenen Versorgungsauftrag erhalten haben. Auch die Finanzierung ist verschieden: Stationär gibt es mit den DRGs Behandlungspauschalen, die sich an der Diagnose orientieren. Ambulant gilt dagegen ein Einzelleistungssystem, in dem die einzelnen ärztlichen Tätigkeiten in Form von ‘Punkten’ bewertet sind. Der Punktwert wiederum ist nicht statisch, sondern wird jährlich neu ausgehandelt und hängt in seiner Höhe auch davon ab, wie viele Leistungen die Ärzte einer KV insgesamt abgerechnet haben.


… dass die brandenburgische Ministerin für Gesundheit MVZ für einen sehr geeigneten Rahmen für den ‘Teamsport Medizin’ hält?

Anläßlich des 30. Jubiläums der Wiedervereinigung gab es 2020 in Potsdam eine Ausstellung zu Projekten, bei denen das Land Brandenburg Vorreiter war – wie beim Thema MVZ (~ mehr zur Präsentation). Die grüne Ministerin, selbst Ärztin, betonte, dass solche Kooperationen gerade in Zeiten des demografischen Wandels zukunftsweisend seien. Insbesondere, weil sie jungen Medizinern den Übergang von der Klinik in die Niederlassung erleichtern.


… dass seit 2015 auch Gemeinden und Städte direkt MVZ gründen und betreiben dürfen?

Obwohl sich der Gesetzgeber 2004 eindeutig dafür ausgesprochen hatte, MVZ „nicht als Spielwiese für gescheiterte Sozialingenieure, nicht für die Sozialversicherungen und nicht für die öffentliche Hand“ zuzulassen (Horst Seehofer bei der Bundestagsdebatte 2003), wurden Kommunen ab 2015 explizit in den Kreis der Träger aufgenommen. Man wollte es so den Gemeinden gerade in ländlichen Regionen ermöglichen, direkt gegen den Ärztemangel aktiv zu werden. Die Zahl kommunaler MVZ ist dennoch auch 2022 noch ausgesprochen gering.


… dass in vielen unserer Nachbarländer die fachärztliche Versorgung fast nur im Krankenhaus stattfindet?

Länder wie Frankreich, Dänemark oder die Niederlande haben ein ausgeprägtes Primärarztsystem. Das heißt, jeder Patient wendet sich immer zuerst an seinen Haus- oder Allgemeinarzt, an den er sich zuvor vertraglich gebunden hat. Fachärzte finden sich vor allem in den Krankenhäusern und können nur mit Überweisung in Anspruch genommen werden.


… dass sich die Bezeichnung Poliklinik nicht vom griechischen *poly* ableitet?

Vielmehr geht die Wortbildung auf die griechischen Begriffe *kline* und *polis* zurück, und steht damit von der sprachlichen Bedeutungsgeschichte her für städtische Betten oder auch kommunales Krankenhaus. Davon unabhängig findet man heute dennoch häufiger auch die Schreibweise Polyklinik, die darauf anspielt, dass hier mehrere Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen gleichzeitig behandeln.