Das Anti-Korruptionsgesetz
Lange Vorbereitung – schneller Beschluss

Allen Spekulationen ist ein Ende gesetzt – die Frage, wann und ob überhaupt das vieldiskutierte „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ zum Tragen kommt, stellt sich seit dem 14. April 2016 nicht mehr. Das Anti-Korruptionsgesetz ist verabschiedet und der Strafbestand der Bestechlichkeit und Bestechung für alle Heilberufe im Strafgesetzbuch verankert.

Seit dem Erscheinen des Referentenentwurfs im Februar 2015 schlugen die Wogen, insbesondere bei den niedergelassenen Ärzten, hoch. Bis dato galten sie nach Feststellung des BGH vom 29.03.2012 weder als Amtsträger, noch als Beauftragte des gesetzlichen Krankenkassen und waren aufgrund dessen von den Korruptionsparagraphen des Strafgesetzbuches nicht erfasst. Für angestellte Ärzte und damit die meisten MVZ-Strukturen galt dieser Beschluss jedoch nicht. Doch auch sie sind durch die neue Gesetzgebung betroffen.

Korruption im Gesundheitswesen findet Verankerung im Strafgesetzbuch

Neu ist damit im Besonderen die Verankerung im Strafgesetzbuch, wodurch korruptes Verhalten künftig nicht nur mit einer Geldstrafe, sondern sogar mit Freiheitsentzug von bis zu drei, in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren, geregelt im modifizierten § 300 StGB, bestraft werden kann.

Das Anti-Korruptionsgesetz soll nach Absicht des Gesetzgebers in zwei Richtungen innerhalb des Gesundheitswesens wirken. So soll es zum Einen den freien und fairen wirtschaftlichen Wettbewerb wahren und zum Anderen den Patienten schützen. Schutz bedeutet in diesem Fall, dass der Patient sicher sein soll, die bestmögliche medizinische Versorgung, frei von wirtschaftlichen Vorteilsnahmen und Interessen Dritter, zu erhalten.

Korruptives Verhalten findet sich in unterschiedlichen Wortlauten in mehreren Gesetzen und Richtlinien. So regeln das SGB V und die (Zahn)Ärztlichen Berufsordnungen beispielsweise das „Verbot der Zuweisung gegen Entgelt“, oder das Strafrecht die Tatbestände „Betrug, Untreue & Bestechung“. Auch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sind Bestandteil zur Sicherung des fairen Umgangs miteinander im umkämpften Gesundheitsmarkt. Doch genau diese etwas unübersichtliche Schnittmenge der unterschiedlichen Gesetze machte eine eindeutige Definition dessen, was als korrupt gilt und wie es zu bestrafen ist, so schwierig. Trotz des langen Diskussionsprozesses werden nicht alle Unklarheiten durch das neue Gesetz beseitigt. Viele Beobachter sehen sogar das gegenteil als Faktum an.

Um eine möglichst eindeutigere Abgrenzung des Strafbestandes Korruption zu erreichen, wurde zum Beispiel der Bezug auf die Verletzung der „berufsrechtlichen Pflichten zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“ – definiert in den siebzehn regionalen Berufsordnungen – gestrichen, obwohl gerade dieser Punkt lange Zeit Kernbestandteil des Gesetzentwurfes gewesen war. Begründung für die Streichung ist, dass das Berufsrecht regional unterschiedlich geregelt ist und somit keine einheitliche Behandlung eines Sachverhalts hätte zugesichert werden können.


Doch was bedeutet das neue Gesetz nun insbesondere für MVZ und andere ambulant-kooperativen Versorgungsstrukturen?

Aufgrund ihrer Strukturdefinition als explizit kooperativ-Tätige und im gewünschten, politisch gar gewollten Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure scheint der Grad zwischen „wo hört Kooperation auf?“ und „wo fängt Korruption an?“ schmaler geworden. Versorgung aus einer Hand, strukturübergreifende Versorgung, oder auch Strukturverträge zur Besonderen Versorgung (ehem. Integrierte Versorgung) und weitere kooperative Modelle stehen Pate für den täglichen Umgang mit Partnern, dem Aushandeln von Konditionen usw. So gilt es einen Blick darauf zu werfen, wer und welches Handeln heute per Definition als Korruption gelten.

Erweiterung des §299 StGB durch §299a „Regelung der Bestechlichkeit im Gesundheitswesen“ und §299b „Bestechung im Gesundheitswesen“

Zusammengefasst beinhaltet §299a die Definition und Bestrafung desjenigen, der eine Bestechung „einfordert“ und §299b Definition und Bestrafung desjenigen, der besticht.

  • Adressiert ist §299a an alle Angehörigen von Heilberufen, die eine staatliche Ausbildung erfordern. Betroffen sind demnach neben der Ärzteschaft als solcher unter anderem auch Krankenpfleger, Physiotherapeuten, Logopäden oder Hebammen. Einkaufs- und Abgabeentscheidungen der Apotheker sind ausgenommen.
  • Unter Bestrafung gestellt wird, wer für sich oder einen Dritten dafür, dass er einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt eine Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
  • Dies gilt bei 1) der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln von Medizinprodukten, 2) dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3) bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial.
  • Analog gilt §299b auf Seiten desjenigen, der Gegenleistungen anbietet.

Verstöße gegen diese gesetzlich definierten Punkte können mit einer Geldstrafe oder Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren oder, wie bereits erwähnt, in besonders schweren Fällen mit bis zu fünf Jahren bestraft werden. Ergänzend liegt nach §300 StGB einen besonders schwerer Fall dann vor, wenn „der Täter gewerbsmäßig handelt, oder sich als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.“


Vom Antragsdelikt zum Offizialsdelikt

Künftig wird Korruption als Offizialsdelikt gefasst. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft nach Bekanntwerden eines entsprechenden Verdachtsmoments verpflichtet ist, von Amts wegen zu ermitteln.

Als strafbar gelten generell Handlungen, bei denen ein persönlicher Vorteil für den einzeln Handelnden entsteht. Gerechtfertigte Skonti oder Prämien bleiben weiterhin straffrei. Insbesondere wird immer wieder auf die Verhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung hingewiesen. Jedoch gibt es keine greifbare Größe, die die Verhältnismäßigkeit definiert. Man darf diesbezüglich auf die zu erwartenden gerichtlichen Urteile gespannt sein.


Kein Grund zur Panik

Der BMVZ rät, wie schon nach der Vorlage des Referentenentwurfs, auch nach Verabschiedung des Anti-Korruptionsgesetz zur Ruhe.
(Vgl. „Das Antikorruptions-Gesetz – Lückenschluss oder neue Folgen?“)

Korruptes Verhalten ist gemäß der juristischen Definition stets an eine vorsätzliche und bewusste Vorteilsnahme, bzw. -gewährung geknüpft. Wer sich daher an die auch bisher schon geltenden Spielregeln hält sowie seine Tätigkeit und Entscheidungen transparent und lückenlos nachweisbar dokumentiert, wird auch in Zukunft nichts zu befürchten haben.

In Anbetracht einiger nach wie vor ungeklärter Sachverhalte, so z. B. der bereits erwähnten Unverhältnismäßigkeit, wäre eine Forderung an die Politik, festzulegen, was erlaubt ist, statt den Rahmen dessen, was beug- und dehnbar ist, auszuweiten.

Bei unsicheren Sachlagen sollte jedoch immer rechtlicher Rat, z.B. bei den Ärztekammern eingeholt werden. Lieber einmal mehr gefragt.

Die Zukunft wird zeigen, wie sich das neue Gesetz in der Praxis bewährt. Es ist auch davon auszugehen, dass Nachbesserungen erfolgen werden. Wir behalten den weiteren Fortlauf für Sie im Auge und halten Sie darüber auf dem Laufenden.

 

Regeln zur Korruptionsvermeidung

Die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung muss gegeben sein; es bedarf eines angemessenen Verhältnisses

Stete Trennung von ärztlicher Leistung und Zuwendung. Aus der Zuwendung an Ärzte darf keine Abhängigkeit im Verordnungs- und Therapieverhalten erfolgen

Es gilt das Transparenzgebot: Verträge mit der Industrie sollten grundsätzlich der Ärztekammer oder KV vorgelegt werden

Kooperationsformen, insbesondere mit nicht-ärztlichen Gesellschaften sollten vollständig dokumentiert werden

Diese Regeln zur Vermeidung des Verdachtsmoments sind der KBV-Broschüre „Richtig kooperieren“ entnommen.


Verweisungen zum Thema

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)

KBV-Broschüre „Richtig kooperieren“


Presseschau

Anwalt klärt auf: Schreckgespenst Anti-Korruption
(ÄrzteZeitung vom 17.05.2016 . Abonnentengeschützter Bereich)

Auch Bundesrat gibt grünes Licht
(änd vom 13. Mai 2016)

Bundesrat billigt Antikorruptionsgesetz
(aerzteblatt.de vom 13. Mai 2016)

Staatsanwaltschaft ante portas
(bibliomedmanager vom 09. Mai 2016 – Artikel)

Anti-Korruptionsgesetz: Jetzt muss alles auf den Tisch
(ÄrzteZeitung vom 25.04.2016 – Abonenntengeschützter Bereich)

Antikorruptions-Gesetz: Jetzt muss die Berufsordnung auf den Prüfstand
(ÄrzteZeitung vom 20.04.2016 – Abonnentengeschützter Bereich)

Kurze Bundestagsdebatte zum Anti-Korruptionsgesetz
(aerzteblatt.de vom 15.04.2016)

Korruptionsbekämpfung: Koalition verabschiedet Gesetz
(ÄrzteZeitung vom 14.04.2016)