Persönliche Leistungserbringung im MVZ:
Grundsätze für sektorübergreifend tätige Ärzte


HINWEIS: Die Geschäftsstelle des BMVZ bietet keine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes an; der hier übernommene Dialog beinhaltet daher lediglich auf Erfahrungen und Recherchen beruhende Auskünfte und Meinungen ohne Anspruch auf Fehlerfreiheit oder Vollständigkeit. 

Die Darstellung des Dialogs folgt weitestgehend der ursprünglichen Form, d.h. es handelt sich um eine mit möglichst wenigen Modifikationen vorgenommene Transkription von Anfragen aus dem Geschäftsstellen-Alltag in eine internet-taugliche Form.


Bei unseren Ärzten besteht Unsicherheit über die Zulässigkeit ihres Einsatzes im MVZ. Einige Krankenhausärzte wären gern ambulant tätig, haben aber keine Genehmigung für die KV-Tätigkeit. Welche Möglichkeiten gibt es hier? Was ist zu beachten?


Antwort
(bearbeitet im März 2017):

 

Sehr geehrte(r) Frau/Herr XY,

Sie haben uns um eine Stellungnahme zur besonderen Thematik der persönlichen Leistungserbringung bei der vertragsärztlichen Versorgung gebeten. Da wir naturgemäß die konkreten Gegebenheiten in Ihrem Haus nicht kennen, bitten wir um Verständnis, dass die folgende Darstellung grundsätzlicher Natur und entsprechend möglicherweise nicht in allen Punkten für Sie relevant ist.


 

Immer wieder kommt es zu Irritationen, weil die Vorgabe der persönlichen Leistungserbringung mit demselben Wortlaut zwar ambulant und stationär gilt – jedoch in den beiden Sektoren mit teils sehr verschiedenen Inhalten hinterlegt ist (Vgl. „Persönliche Leistungserbringung im Krankenhaus – Hinweise der DKG vom 6. März 2013“).

Link zur Veröffentlichung der Hinweise in
Das Krankenhaus – Ausgabe 5/2013

Nachvollziehbarer Weise trifft diese Irritation vor allem Ärzte, die gleichzeitig in beiden Sektoren unterwegs sind, also die klassische Konstellation von Teilzeitärzten im Krankenhaus-MVZ. Da es bis heute nichts an seiner Aktualität eingebüßt hat, möchte ich Sie hierzu auf unser entsprechendes Merkblatt aus dem Sommer 2010 hinweisen.

Vgl. Juli 2010_KH-MVZ-Abrechnung.pdf

Seite1seite2Anlass dafür, dass wir dieses damals verfasst haben, waren Aufsehen erregende Fälle im Zusammenhang mit Krankenhaus-MVZ, wo eben die besonderen Regeln der Leistungserbringung, die im ambulanten Sektor gelten, nicht  oder nur teilweise eingehalten wurden.

So wurden z.B.

  • Assistenzärzte (ohne ambulante Weiterbildungsstelle) eingesetzt
  • der eigentlich zugelassene Arzt durch irgendwelchen anderen (nicht gemeldeten) Ärzte vertreten, da er während seiner KV-Sprechstunden im OP stand
  • Röntgenbilder in einer gemeinsam genutzten Radiologieeinheit von irgendeinem der anwesenden Ärzte befundet, obwohl es sich um ambulante GKV-Patienten handelt, für deren Befundung zwingend auch nur die jeweils zur konkreten Sprechzeit zugelassenen MVZ-Ärzte zuständig waren
  • bis zu acht Ärzte auf einem Arztsitz tätig, obwohl nur maximal vier zulässig sind und gemeldet waren
  • und Ähnliches.

Keiner dieser Punkte ist banal. Nicht ohne Grund spricht man für den ambulanten Bereich in Steigerung der persönlichen Leistungserbringung von der Vorgabe zu höchstpersönlichen Leistungserbringung. Das bedeutet im Grundsatz:

  1. Es gilt ohne Ausnahme der Facharztstandard. Assistenzärzte, die im Krankenhaus integraler und selbständiger Bestandteil der Betreuung sind, dürfen ambulant nicht eingesetzt werden.
  2. Einzige kleine Ausnahme besteht für gemeldete(!) Weiterbildungsassistenten in den letzten Ausbildungszeiträumen.
  3. Ohne Ausnahme dürfen nur Ärzte tätig werden, deren Tätigkeit vorher(!) bei der KV gemeldet, bzw. von dieser zugelassen wurde. Hier handelt es sich meist um einen statusbegründenden Genehmigungsakt, der also notwendigerweise immer zeitlich vor Aufnahme der Tätigkeit zu erfolgen hat. Das gilt für zugelassene Ärzte wie für Weiterbildungsassistenten gleichermaßen.
  4. Einzige Ausnahme ist die Übernahme kurzzeitiger Vertretungen, wofür zum Einen zugelassene Ärzte einsetzbar sind, aber auch weitere Ärzte aus dem Krankenhaus, sofern sie alle Bedingungen, um theoretisch zulassungsfähig zu sein, erfüllen müssen (Facharztstandard!)
  5. Alle Vertretungen sind ausnahmslos meldepflichtig, teilweise sogar genehmigungspflichtig. Grundsätzlich kommen Vertretungen ohnehin nur bei einer kleinen Anzahl von Gründen in Fragen, die in der Zulassungsverordnung der Ärzte abschließend aufgezählt sind. D.h. stattdessen eine OP durchzuführen oder lieber Golf spielen zu gehen (’s ist alles schon passiert) ist kein zulässiger Vertretungsgrund.
  6. Ärzte, die gegenüber der KV nicht als Vertreter angezeigt oder mit eigener Arztstelle (egal ob voll oder in Teilzeit) zugelassen sind, dürfen nicht an der ambulanten Patientenbehandlung beteiligt sein.

Es gibt noch mehr Regeln – aber das sind die wichtigsten. Es spielt dabei auch keine Rolle, dass sie gerade aus Krankenhaus-MVZ-Sicht häufig als störende oder zumindest unlogische und überflüssige Barrieren empfunden werden. Sie gelten, und es ist jeder Versorgungsbeteiligte gut beraten, sich peinlichst genau daran zu halten.

Warum?
Weil jeder Verstoß gegen eines oder mehrere Prinzipien automatisch als Abrechnungsbetrug gewertet wird. Dahinter steht die Annahme, dass die Leistung bei solchen oder ähnlichen Verstößen organisatorisch eben nicht nach den für den Vertragsarztbereich geltenden Regeln erbracht wurde. Und Regelverletzungen gelten als Betrug. Ob die Leistungen dabei medizinisch völlig korrekt erbracht wurden, oder auch das Argument, dass eben so viele Patienten da waren, die behandelt werden mussten, ist für diese Betrachtungsweise völlig unerheblich.

Je nach Intensität des ‚Abrechnungsbetruges‘ und abhängig von der Frage wie lange und wie systematisch er erfolgt ist, handelt es sich in der Folge um eine KV-interne Angelegenheit (Rückforderung aller Honorare) oder zieht Kreise über die Staatsanwaltschaft bis hin zu strafrechtlicher Relevanz. In Berlin haben zwei Krankenhausärzte deswegen – und obwohl nie der Vorwurf der persönlichen Bereicherung im Raum stand – über mehrere Monate in Untersuchungshaft gesessen.

Zwei Beispiele haben wir Ihnen als Illustration in Form von Pressemeldungen einmal beigefügt. Wie Sie den verlinkten Details entnehmen können, stehen dabei automatisch immer die Ärzte und die Geschäftsleitung im Zentrum. Im zweiten ausgewählten Fall (DRK) wurden im Übrigen im Zuge des Verfahrens alle MVZ des Trägers in Berlin geschlossen. Im ersteren (Helios) wurde die Anzeige von der KV nach millionenschwerer Honorarrückzahlung zurückgezogen und der  Fortbestand der Einrichtung so letztlich gesichert.

Das soll Ihnen jetzt keine Angst machen, sondern nur – Sie hatten ja gefragt – die Relevanz der obigen Ausführungen verdeutlichen. Es gibt zudem eine Rechtsprechung des BSG, nach der MVZ im Gegensatz zu ’normalen‘ Arztpraxen schon bei kleinsten Vergehen – etwa bei Verstößen gegen die ‚Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung‘ (auch ein sich aus den Gesetzen und Normen ergebender Superlativ) – die Zulassung, also die Betriebserlaubnis zu entziehen ist.

Es hat also jedes MVZ ein evidentes Eigeninteresse daran, sich an die – zugegeben sehr strengen – Spielregeln zu halten. Das gilt auch für Ärzte, da sie – in Abhängigkeit von den im Einzelfall konkreten Vorwürfen – auch bei Anstellung nicht vor persönlicher Haftung, bzw. persönlicher Strafbarkeit geschützt sind.

Der Tagesspiegel v. 22.6.2011
taz2262011

RBB v. 8.4.2016
rbb842016
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