Für ein faires Nebeneinander der Strukturen
– Meinung

Susanne Müller

 

Inhabergeführte Arztpraxen sind GUT –
Krankenhauskonzerne sind SCHLECHT

Dies ist die Zuspitzung einer emotionsgeladenen Debatte, die einem differenziertem Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der ambulanten Versorgungslandschaft häufig im Weg steht. Der BMVZ plädiert an dieser Stelle dafür, nicht mit zweierlei Maß zu messen und die ein oder andere‚ feststehende Überzeugung ergebnisoffen zu hinterfragen.

 

Ein Debattenbeitrag von Dipl. pol. Susanne Müller,
Geschäftsführerin des BMVZ e.V
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Es ist ein Allgemeinplatz, dass die ambulante Versorgung traditionell durch selbständige Vertragsärzte sichergestellt wird, die per Definition ihrer Berufsordnung nicht gewerblich tätig sind. Gestützt durch ein entsprechendes Selbstbild der Ärzteschaft ist deshalb auch die Annahme verbreitet, dass Ärzte grundsätzlich selbstlos und eben keine Unternehmer seien. Im Gegensatz dazu wird den als institutionelle Versorger erst 2004 hinzugekommenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) unterstellt, zuvorderst ökonomische Interessen zu bedienen und damit potentiell Patienten zu gefährden.

Mittelpunkt der Argumentation sind die befürchten Folgen für das Arzt-Patientenverhältnis, das – und hier gibt es im Grunde gar nichts zu diskutieren – unzweifelhaft vor medizinfremden Einflüssen zu schützen ist. Im Falle ambulanter Versorgungsunternehmen, wie MVZ sie darstellen, wird   jedoch in besonderen Maße eine Gefährdung der Diagnose- und Therapiefreiheit befundet, da insbesondere nicht-ärztlich geführte MVZ der Vermutung unterliegen, dass medizinische Aspekte durch wirtschaftliche Interessen des Trägers überlagert werden.

Basis dieser Betrachtungsweise ist die (unbewusste?) Annahme, dass das wirtschaftliche Interesse des selbständigen Vetragsarztes konfliktfrei mit dessen ethisch geleitetem Versorgungsauftrag für die Patientenbehandlung in Einklang gebracht werden könne.

Dabei wird vorausgesetzt, dass niedergelassene Ärzte in ihrer Doppelfunktion als Arzt und Unternehmer – und anders als nicht-ärztliche Versorgungsträger – das wirtschaftlich Notwendige jederzeit und widerspruchsfrei mit dem ethisch Richtigen vereinen könnten. In dieser Sichtweise wird jedoch unterschlagen, dass alle früheren und gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Vergütung ärztlicher Leistungen ausschließlich von den wirtschaftlichen Interessen der ‚nicht-gewerblichen‘ Vertragsarztpraxen und dem Status eines jeden Praxisinhabers als Unternehmer geprägt sind.

Deshalb muss gerade in dieser Debatte immer wieder betont werden, dass Monetik auch in der traditionellen Niederlassungspraxis immer und prinzipiell in einem natürlichen Widerspruch zur Ethik steht und stand. Die wirtschaftlichen Interessen sind zwischen Arzt und MVZ entsprechend nicht grundsätzlich unterschiedlich zu bewerten. Beide wollen und müssen vom Ertrag der ärztlichen Tätigkeit leben und die Refinaneffizizierung der Praxisausgaben absichern können. In einem Versorgungsunternehmen wird dieser Konflikt durch die Arbeitsteilung der verschiedenen beteiligten Berufsgruppen nur auf verschiedene Ebenen aufgespalten und damit deutlich sichtbar.

Jeder Einzelarzt kalkuliert seine Investitionen sowie die dinglichen und personellen Kosten genau wie ein nichtärztlicher Unternehmensträger.

Beide erwarten – unabhängig von bestehenden Abweichungen in der Praxisgröße – für die Führung ihres Unternehmens eine angemessene Vergütung. Der Unterschied besteht nur darin, dass bei Ärzten und vertragsärztlichen MVZ-Trägern der Überschuss als Einkommen in deren persönliches Leben und Vermögen fließt – beim MVZ-Betreiber dagegen als Gewinn zum Träger. Während aber allgemein akzeptiert wird, dass ein Arzt und dessen Familie ja auch (gut) leben können muss, ist bei MVZ-Trägern allein der Bezeichnung des Überschusses als Gewinn ein Vorwurf immanent, der sie zu Feindobjekten vieler Ärzte macht.

Das Bewusstsein, dass es bei der wirtschaftlichen Führung jeder Arztpraxis grundsätzlich auch darum geht, einen persönlichen Gewinn zu erwirtschaften, ist dementsprechend gering ausgeprägt, bzw. fällt zumindest in der öffentlichen Debatten häufig unter den Tisch.

Ohne Einschränkung ist es richtig, dass es Regeln geben muss, die eine Überfrachtung des Arzt-Patientenverhältnisses durch medizinfremde Interessen verhindert, bzw. in geregelte Bahnen lenkt.

Ausgangspunkt entsprechender Überlegungen muss jedoch die Akzeptanz der Tatsache sein, dass die potentiellen Störungen zwischen dem wirtschaftlichen, bzw. dem monetären Interesse auf der einen und der ethisch geleiteten Patientenversorgung auf der anderen Seite sowohl in der Einzelpraxis als auch in jedem größeren Versorgungsunternehmen grundsätzlich angelegt sind und nicht verhindert werden können.
Von daher sollte in der Debatte um nichtärztlich geführte MVZ und Versorgungsunternehmen weniger der monetäre Aspekt, als vielmehr die Frage und Bewertung des Beitrages, den moderne Versorgungsstrukturen mit professioneller Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Betriebswirten zur Sicherstellung der Versorgung leisten können, im Vordergrund stehen.

Diese arbeitsteilige Verantwortung ermöglicht dabei jeder Berufsgruppe, ihre Zeit und Fähigkeiten optimal einzusetzen und trägt dadurch dazu bei, die Versorgung der Patienten auch künftig effektiv und hochwertig sicherzustellen.

Denn als Arbeitgeber bieten gerade die sogenannten‚ unternehmerisch aufgestellten Versorger‘ den Ärzten die Option, in flexiblen Beschäftigungsmodellen angestellt tätig zu sein und tragen damit auch für die Mediziner zu einer gesunden Pluralität im deutschen Gesundheitswesen bei. Dabei ist es gerade die viel kritisierte‚ andere Perspektive‘ eines größeren Trägers, bei der naturgemäß die einzelne Arztpersönlichkeit aus dem Fokus rückt, die Chancen für eine moderne und effiziente Versorgung der Patienten bietet.

Notwendige Basis ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, Versorgung flexibel gestalten zu können.

Die Erfahrung lehrt – wie als ein Bespiel die oft unergründliche Genehmigungspraxis der Zulassungsausschüsse zeigt – dass, wenn hier vom Gesetzgeber eine grundsätzliche Gleichbehandlung der verschiedenen Praxisstrukturen angestrebt wird, diesbezüglich klare und eindeutige normative Ansagen nötig sind. Denn immer wieder zeigt die gelebte Realität in den KVen und vor den Zulassungsausschüssen, dass gesetzgeberischer Wille und tägliche Praxis allzu oft zwei verschiedene Paar Schuhe sind.


FAZIT
In der summarischen Perspektive eines Bundesverbandes, dem viele für sich genommen vergleichsweise harmlose Einzelfälle zugetragen werden, drängt sich bei bestimmten Themen daher der Eindruck auf, dass nach wie vor absichtsvolle Bestrebungen innerhalb des KV-System bestehen, MVZ aus dem ambulanten Versorgungsmarkt rauszuhalten, bzw. klassische Pfründe der Vertragsärzte zu sichern und abzuschotten. Dies gerade, weil es neben dem Versorgungsgedanken eben auch in der ärztlichen Selbstverwaltung und in den Niederlassungspraxen um den unternehmerischen Gedanken der Sicherung von Einkommen und Einfluss geht.

Es ist entsprechend Aufgabe des Gesetzgebers ambulanten Versorgungsunternehmen und nicht ärztlich getragenen MVZ auch  dadurch den Rücken zu stärken, dass diese, die Einzelpraxis ergänzenden Versorgungskonzepte rechtssicher und in jeweils unzweideutiger Klarstellung im Normenrahmen, d.h. sowohl im SGB V als auch in den untergesetzlichen Normen, ihren Platz bekommen.