Das Zahnarzt-MVZ: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu humanmedizinischen MVZ

Das Ende Juli 2015 in Kraft getretene Versorgungsstärkungsgesetz ebnet mit der Modifizierung des § 95 Abs. 1 SGB V den Weg zur Gründung fachgruppengleicher Medizinischer Versorgungszentren. Dies gilt neben allen humanmedizinischen Fächern explizit auch für Zahnärzte.

Zahnarztpraxen können politisch-rechtlich bereits seit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2004 und damit von Anfang an in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) als Kooperationspartner fungieren. Jedoch wurden MVZ-Kooperationen zwischen Ärzten und Zahnärzten bislang nur selten umgesetzt. In der Geschäftsstelle des BMVZ sieht man hierfür einen entscheidenden Grund:

„Obwohl es nachweisbare Zusammenhänge zwischen bestimmten Krankheitsbildern wie Parodontose und Herzerkrankungen, oder Diabetes gibt, haben sich nur in seltenen Fällen Humanmediziner und Zahnärzte zusammen getan. Auch denkbare Kooperationen zwischen Dental-Medizinern und Psychologen gibt es kaum.

Ein Grund hierfür mag der bürokratischen Umständlichkeit geschuldet sein. Da beide Arztgruppen den Entscheidungen ihrer jeweiligen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (K(Z)V) unterliegen, sind die bürokratischen Hürden doppelt so hoch wie bei einer Gründung allein zwischen Humanmedizinern. Mit der Fachgruppengleichheit können die Zahnärzte sich nun auf die Voraussetzungen ihrer Institution beschränken. Das ist eine erhebliche Vereinfachung des Prozederes, auch wenn fachbereichsübergreifende Kooperation nach wie vor für viele Patienten und Krankheiten wünschenswert wären.


Eher ablehnende Positionierung der
vertragszahnärztliche Standesvertretung

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) tut sich insgesamt schwer mit der Option MVZ. So wurde ganz offiziell mit der Stellungnahme zum Referentenentwurf des VSG im Oktober 2014 grundsätzlich Kritik an der MVZ-Idee geäußert. Einige Argumente und Aspekte sind dabei bereits aus den Debatten der Jahre 2004 ff bekannt und gelten bei den Humanmedizinern und deren Bundesvertretung, der KBV, inzwischen als (teilweise) überwunden.

So erstreckt sich ein Vorwurf der KZBV darauf, dass die Tätigkeit des Zahnarztes im Anstellungsverhältnis dem Selbstverständnis der Ausübung des freien Berufes entgegenstünde, da nur der ‚freie‚ Arzt seinem Patienten gegenüber Verantwortlichkeit zeige.

An dieser Stelle sei auf die Entschließung des 118. Deutschen Ärztetages diesen Jahres hingewiesen. Darin fordert die Ärzte-Hauptversammlung, den Begriff der Freiberuflichkeit im Hinblick auf den Ärzteberuf zutreffend und korrekt zu gebrauchen. Die Entschließung beinhaltet die an alle Standesgremien und Arztverbände gerichtete Aufforderung, ‚die teilweise missbräuchliche Verwendung des Begriffs „Freiberuflichkeit“ … innerhalb der jeweiligen Organisation zu verhindern und in der Kommunikation nach außen künftig zu unterlassen.‘

„In der Diskussion um den freien Arztberuf wird die Selbstständigkeit oft als Ideal hochgehalten. Das ist unlogisch”, schreibt Susanne Müller, Geschäftsführerin des BMVZ, in einem Kommentar des Gesundheitsmagazins MMW-Fortschritte der Medizin. “Der Arztberuf gehört zu den freien Berufen. Damit begründet sich einerseits die Entlastung von der Umsatzsteuer. Berufsrechtlich steht andererseits dahinter, dass Ärzte im medizinischen Handeln und ihren therapeutischen Entscheidungen keiner Weisung unterliegen. In der Diskussion setzen dagegen einige Ärzte “frei” oft mit “selbstständig” gleich.”


Doch welche Chancen und Möglichkeiten bieten bzw. welche Fragen stellen sich nun für Zahnärzte durch die Möglichkeit des fachgruppengleichen Zusammenschlusses?

Eine der Aussagen der KZBV bezieht sich darauf, dass mit der Fachgruppengleichheit der ganzheitliche Behandlungsgedanke nicht mehr bestünde und sich ein reines Zahnarzt-MVZ nicht von der bereits bestehenden Gemeinschaftspraxen (BAG/üBAG) unterscheiden würde. Da es Vertragszahnärzten auch schon bisher möglich war, Zahnärzte anzustellen, würde sich hier keinerlei Vorteil bei einer MVZ-Gründung ergeben. Dass dem nicht so ist, wird jeder Arzt, der sich mit Fragen des Zulassungsrechts oder gesellschafts- und steuerrechtlichen Details befasst, schnell begreifen.

Ein für nicht wenige Zahnärzte maßgeblicher Umstand pro MVZ liegt zum Beispiel darin, dass MVZ hinsichtlich der Zahl der darin tätigen angestellten Ärzte nicht beschränkt sind. Damit sind inhabergeführte Zahnarzt-MVZ mit vier, fünf oder gegebenenfalls auch mehr angestellten Kollegen denkbar. Hintergrund ist, dass bei MVZ formaljuristisch nicht der Inhaber Träger der Zulassung und damit Arbeitgeber ist, sondern die MVZ-Gesellschaft als solche.
Für diese gilt die berufsrechtliche Regelung (§ 4 BMV-Zahnärzte), wonach ein Zahnarzt wegen der Vorgabe der persönlichen Leistungserbringung nicht mehr als zwei Kollegen beschäftigen darf, nicht.

Da es bei den Zahnärzten keine Bedarfsplanung und damit keinerlei Zulassungsbeschränkungen gibt, bietet die Option, mehrere Kollegen – egal ob fachgleich oder fachübergreifend – anstellen zu können, für viele Zahnärzte einen attraktiven Grund, sich mit der MVZ-Gründung zu befassen.


Und wie steht es um die auch aus dem ärztlichen Bereich bekannte Befürchtung, dass nicht-ärztliche Unternehmen und Dienstleister über MVZ-Gründungen unmittelbar Einfluss auf die Patientenversorgung nehmen?

Eine weitere Sorge vieler Zahnärzte, die dem Tenor persönlicher Gespräche zu entnehmen ist, ist, dass über die Möglichkeit zur MVZ-Gründung Kommunen oder nichtärztliche Dritte, wie z.B. Dental-Depots, als Konkurrenten in die zahnärztliche Versorgung eintreten. Denn aufgrund der fehlenden Zulassungsbeschränkungen liegt der Konkurrenzgedanke hier stärker als bei den Humanmedizinern in der Natur der Sache.

Der BMVZ mahnt hier zur Ruhe: Nicht zu erwarten ist, dass Nicht-Zahnärzte oder Kommunen eine existenzbedrohende MVZ-Gründungswelle auslösen werden. Zwar ist tatsächlich mit einem spürbaren Anstieg der Zahl zahnärztlicher MVZ in den nächsten Jahren zu rechnen – deren Gründer werden aber aus dem Fachkreis selbst kommen.
Dies zum Einen, weil Dentallabors und andere zahnärztliche Dienstleister schlichtweg nicht als Träger zugelassen sind. Zum Anderen aber mit Blick auf die tatsächlich gründungsberechtigten Kommunen, weil Gründung und der Betrieb eines MVZ hochkomplexe Angelegenheiten sind, die keine Gemeinde ohne Not auf sich nehmen wird.
Die Angst vor einer eventuellen Einflussnahme in medizinischen Entscheidungen dieser möglichen Träger ist damit weitgehend unbegründet – in jedem Fall nicht größer als bei jeder vertragszahnärztlichen Praxis auch.


Und was bringt die Zukunft?

Mit der Erfahrung von nunmehr elf Jahren im Bereich der humanmedizinischen MVZ rät der BMVZ zu Gelassenheit  in der Argumentation:

„Es wird keinen sprunghaften Anstieg von Zahnarzt-MVZ geben. Am Anfang ist jedoch zu erwarten, dass die Ärzte, die ohnehin kooperationsinteressiert waren, die Betriebserleichterungen des VSG als Chance für sich zu MVZ-Gründungen nutzen werden. Diese werden aber, wie derzeit die fachgruppenübergreifenden MVZ, keine existenzbedrohende Konkurrenz für die Einzelpraxis sein.

Sie stehen vielmehr für Vielfalt und für ein Nebeneinander unterschiedlicher Versorgungsformen und damit für eine Wahlmöglichkeit – sowohl von Seiten der Patienten, aber auch der Zahnärzte. Die Einzelpraxis wird im Bereich der Vertragszahnärzte ebenso wenig aussterben wie bei den Kollegen in der Humanmedizin.“

Die Tätigkeit in einem MVZ ist lediglich eine weitere, legitime Form eines möglichen Arbeitsverhältnisses. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die wichtigen normativen Anpassungen für MVZ und angestellte Ärzte, die aufgrund der politischen Arbeit des BMVZ über Veränderungen in der Zulassungsverordnung der Ärzte (Ärzte-ZV) mit dem VSG erreicht wurden, durch analoge Veränderung der Zahnärzte-ZV für Zahnärzte ebenfalls Geltung haben.


Vor diesem Hintergrund ist es dem BMVZ mit seiner Erfahrung im Bereich ambulante Kooperationen und Vernetzung ein wichtiges Anliegen, auch den zahnärztlichen BAGs und MVZ ein kompetenter Ansprechpartner zu sein.

Themenverwandte Informationen finden Sie hier:

Verweis Artikel: Normalität Kooperation

Download
“Ärztliches Berufsbild – Angestellt, im Team, im MVZ und trotzdem ein freier Arzt”
(Vollständiger Kommentar, Susanne Müller, Geschäftsführerin BMVZ,
MWW – Fortschritt der Medizin, April 2015)

Artikel
Neue Chancen für MVZ – Die Zukunft der Zahnmedizin
(zm – Zahnärztliche Mitteilungen vom 1. Oktober 2015)

So bewertet die KZBV die neue Rechtslage
(zm – Zahnärztliche Mitteilungen vom 1. November 2015)

Titelstrecke: Zahnmedizin am Fließband
MVZ versus Einzelpraxis
(Der freie Zahnarzt – Mai 2016, g. 60/ Nr. 05)


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