
Eine Diskussion, die zwar einerseits durch zumeist prinzipielle Zustimmung gekennzeichnet ist, die sich andererseits aber gleichzeitig auch durch beinah allseitige und lautstarke Kritik am konkreten Gesetzestext auszeichnet.
Auch der BMVZ hat eine Stellungnahme abgegeben. So sind bestimmte Sachverhalte im Referentenentwurf tatsächlich unklar definiert und schaffen möglicherweise Problematiken und Grauzonen, die so vom Gesetzgeber eher nicht beabsichtigt sind. Hierbei richtet der Verband sein Augenmerk auf das Arbeitsfeld der kooperativen Versorger, die er durch das Gesetzesvorhaben in ihrer Arbeit gefährdet sieht.
Erstmalig soll Bestechung und Bestechlichkeit speziell im Gesundheitswesen als Straftatbestand im Strafgesetzbuch verankert werden. Denn nach Ansicht des Gesetzgebers fordert das komplexe Gesundheitssystem mit seinen unterschiedlichen Akteuren – den Ärzten als Kernstück und der Wirtschaft als Mitspieler – aufgrund zurückliegender Korruptionsdelikte ein genaues Hinsehen.
„Korruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt den Wettbewerb, verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen“, lautet entsprechend die Einleitung zu dem Ende Januar 2015 veröffentlichten Referentenentwurf.
Zweifelsohne ist es richtig und wichtig, mit Blick auf den Patienten, diesem eine vertrauenserhaltende und qualitativ bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen, ohne das etwaige Vorteilsnahmen oder Vorteilserbringungen durch Dritte eine Rolle spielen oder die Behandlung beeinflussen.
Auf der anderen Seite müssen selbstverständlich aber auch die ärztlichen und nicht-ärztlichen Leistungserbringer einen Arbeitsraum haben, in dem sie sich geschützt, aber auch in einem ausreichend großen Radius bewegen können. So betonte Bundeärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery im März bei einer Podiumsdiskussion in Stuttgart, dass das geplante Gesetz ’nicht als strafrechtliche Bedrohung, sondern als Schutzmaßnahme für die Ehrlichen zu sehen sei.‘
Doch wie genau soll das neue Gesetz
aussehen und worauf sollte geachtet werden?
Besonders einschneidend ist die normative Festlegung und Erweiterung des Täterkreises. Laut des hierfür maßgeblichen BGH-Urteils vom 29.03.2012 (Vgl. BGH GSSt 2/11) sind niedergelassene Ärzte bislang durch die Korruptions-§§ im Strafgesetzbuch nicht erfasst, da sie nicht Amtsträger oder Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen sind.
Deshalb sollen per Gesetz sowohl die niedergelassenen, als auch angestellte Ärzte durch einen eigenen Paragraphen in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Im dazu geplanten neuen § 299a StGB soll sinngemäß festgelegt werden, dass sich strafbar macht, wer bei der Arznei-, Heil- und Hilfsmittelverordnung oder bei der Überweisung von Patienten eine Gegenleistung verlangt, sich versprechen lässt oder annimmt.
Ebenso macht sich strafbar, wer den Angehörigen eines Heilmittelberufes eine Gegenleistung für die Verordnung vom Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Patientenüberweisung anbietet, verspricht oder gewährt.
§ 299a Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen
(i.d.F. des Referentenentwurfes)
(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatliche geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
2. in sonstiger Weise seine Berufsausübung verletze,
wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinnes des Absatzes 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er dem Bezug, der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt oder
2. in sonstiger Weise Berufsausübungspflichten verletze.
In schwerwiegenden Fällen soll es sogar Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verhängt werden können.
An dieser Stelle mahnt der BMVZ den Gesetzgeber jedoch zur Vorsicht. Ärzte, ob angestellt oder niedergelassen, stehen aufgrund ihrer Lenkungs- und Steuerungsfunktion ohnehin schon in einem besonderen Fokus. Pauschal den ganzen Berufsstand unter Generalverdacht zu stellen, könnte unter Umständen das Vertrauen, das es zu erhalten gilt, nachhaltig ins Gegenteil verkehren, da der Verruf ebenso pauschal verstanden werden könnte.
Es bedarf daher einer genauen Präzisierung, was als strafbewährte Korruption gesehen wird. Nicht jede Rabattierung seitens der Industrie, so beispielsweise der Hilfsmittelhersteller, darf sofort als Korruption ausgelegt werden.
Selbiges gilt für die Empfehlung der Ärzte untereinander. Auch muss die sektorenübergreifende Behandlung in den Gedankengang einbezogen werden. Die derzeitige Formulierung des Gesetzestextes löst bei bestehenden Kooperationsformen wie Ärztenetzen, MVZs oder auch in Bereichen der ASV und IV durchaus berechtige Ängste aus, da sie per Definition mit Leistung und Gegenleistung aufeinander ausgerichtet und auch von einander abhängig sind.
Mit Blick auf das besondere Tätigkeitsfeld des BMVZ, weisen wir etwa auf die MVZ-Gründungen der Jahre 2004 bis 2011 hin. Hierbei sind nicht selten Physiotherapeuten oder Heilmittelerbringer als Gründer und Träger gesellschaftsrechtlich beteiligt und aufgrund des Bestandsschutzes laut VStG von 2012 nach wie vor lege artis. Schon allein deswegen sollte der Gesetzgeber im Gesetzesentwurf die Grenzziehung zwischen zulässiger und unzulässiger Korruption dringend noch einmal überprüfen.
Auch in Hinblick auf die Stellung des Strafantrages muss der Entwurf nach Meinung des BMVZ nochmals überdacht werden.
Korruption fällt unter die Antragsdelikte. Ausweislich der Begründung zum neuen § 301 StGB sollen neben den berufsständischen Kammern, Berufsverbänden, den gesetzliche Kranken- und Pflegekassen, privaten Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen auch Patienten berechtigt sein, einen Strafantrag zu stellen.
An dieser Stelle verweist der BMVZ insbesondere auf die Gefahr, dass es zu willkürlichen Antragstellung von Patientenseite kommen könnte, sofern sich Einzelne, aus subjektiv-emotionalen Gründen nicht ausreichend gut oder falsch versorgt fühlen. Zumindest könnte so ungerechtfertigter und vor allem unnötiger Ermittlungsdruck entstehen. Weitere Detailanmerkungen des BMVZ können Sie in der Stellungnahme einsehen.
Der BMVZ wird den Fortlauf des Gesetzgebungsverfahrens weiter für Sie im Auge behalten und Sie über den Stand der Dinge informieren.
Doch bei aller Panikmache …
… müssen sich die Beteiligten immer wieder vor Augen führen, dass es sich bei Korruption immer um einen vorsätzlichen, auf Verschleierung ausgelegten und vor allem durch eine unangemessene Gegenleistung gekennzeichneten Tatbestand handelt.
Werden Abläufe und Vorhaben vollständig, transparent und klar dokumentiert, besteht im Allgemeinen nicht die Gefahr des „In-Verdacht-Geratens“ bzw. kann dem mit sofortiger Beweiskraft entgegen getreten werden.
Korruption im Gesundheitswesen als Thema ist nicht neu. Bereits auf dem Wintertreffen im Januar 2013 hielt Dr. Bernd Köppl, Vorstandsvorsitzender des Verbandes, einen Vortrag zu diesem Thema. Dieser kann im Vortragsarchiv des Mitgliederbereichs eingesehen werden.
Auch kann man sich – bei allen Wellen und Aufregung, die die derzeitigen Diskussionen schlagen – durch die Befolgung einiger Regeln weitgehend schützen.
Regeln zur Korruptionsvermeidung
Die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung muss gegeben sein; es bedarf eines angemessenen Verhältnisses
Stete Trennung von ärztlicher Leistung und Zuwendung. Aus der Zuwendung an Ärzte darf keine Abhängigkeit im Verordnungs- und Therapieverhalten erfolgen
Grundsätzlich gilt das Transparenzgebot: Verträge mit der Industrie sollten grundsätzlich der Ärztekammer oder KV vorgelegt werden
Kooperationsformen, insbesondere mit nicht-ärztlichen Gesellschaften sollten vollständig dokumentiert werden
Diese Regeln zur Vermeidung des Verdachtsmoments sind der KBV-Broschüre „Richtig kooperieren“ entnommen.
Verweisungen zum Thema
- „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von
Korruption im Gesundheitswesen“ - BGH-Entscheid GSST 2/11, 29.03.2012
- Stellungnahme des BMVZ
- Vortrag „Korruption im Gesundheitswesen“,
Dr. Bernd Köppl, Januar 2013 - KBV-Broschüre „Richtig kooperieren“
(Schriftenreihe PraxisWissen, KBV, Dezember 2012) - Link: Ärzte-Quiz: Wären Sie korrupt?
Presseschau
Korruptionsgesetz: Kein Aus für Anwendungsbeobachtungen und Ärztenetze
(ÄrzteZeitung vom 13.03.2015)
Kriminaltango mit Ärzten: Referentenentwurf zum Anti-Korruptionsgesetz
(ergo, Mitteilungsblatt der KV Ba-Wü, Ausgabe 01/2015, S. 4)