TSVG en detail … als wäre nichts gewesen

Am Donnerstag, den 14. März, wurde das TSVG vom Bundestag verabschiedet. Dabei ist insbesondere als größter Erfolg keine Neu-Regelung in der Nachbesetzung zu vermelden:

Die in der seit September 2018 vorliegenden Kabinettsfassung des Gesetzes vorgesehene und vom BMVZ vehement bekämpfte Beschränkung des Rechtes auf Nachbesetzung angestellter Ärzte wurde quasi in letzter Minute abgesagt.

Eine Rückschau.


 

Praxen und MVZ müssen um Sitze für Angestellte bangen“ betitelte die Ärztezeitung im Dezember 2018 ein Interview mit dem BMVZ-Vorsitzenden Peter Velling zum TSVG.

In der Tat war die Debatte um die Beschränkung des Rechtes der MVZ und Praxen, Arztsitze mit angestellten Ärzten bei Personalwechseln nachbesetzen zu dürfen, für viele kooperative Versorger einer d-e-r Aufreger des TSVG-Entwurfes.

Geplant war hier, jeden Anstellungswechsel in (fehlerhafter) Analogie zum Verfahren bei Inhaberwechseln, unter einen zusätzlichen Prüfvorbehalt der Zulassungsauschüsse zu stellen.

MVZ: Angestellte Ärzte: Prüfvorbehalt bei Nachbesetzung

Angestellte Ärzte: Prüfvorbehalt bei Nachbesetzung

Änderungsvorhaben: Als Neuregelung für alle ärztlichen Angestelltenstellen (sogenannte Arztstellen) – gleich ob in Praxis oder MVZ - ist geplant, künftig jeden Personalwechsel unter den Vorbehalt der Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen zu stellen. Analog zu den Prüfvorgaben bei der Nachfolge eines Sitzes wird damit den Zulassungsgremien aufgegeben, eine Nach­besetzung abzulehnen, wenn sie aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sein sollte.

Position des BMVZ: Die Änderung wird grundsätzlich abgelehnt, da sie ohne Nutzen für die Patienten die kontinuierliche Besetzung von Arztstellen in MVZ erschwert, bzw. teils auf existenziell bedrohliche Weise behindert. Dabei ist festzustellen, dass – anders als in der Gesetzesbegründung ausgeführt – das Maß der geplanten Beschränkung gerade nicht sachgerecht ist, sondern in durch das formulierte Ziel nicht gerechtfertigter Weise weitreichende Einschnit­te in den Betrieb und die Planbarkeit von MVZ und BAG, bzw. Praxen mit angestellten Ärzten bedingt würden.

vollständige Stellungnahme vom August 2018

AUSZUG


Zum Ersten ist anzumerken, dass die dem Regelungsvor­schlag zugrunde gelegte Analogie zwischen der Nachbesetzung eines Sitzes und der einer Arztstelle auf einer inhaltlich fehlerhaften Inbezugsetzung beruht, die durch die in beiden Fällen gebräuch­liche Nutzung des Wortes ‚Nachbesetzung‘ für den jeweiligen Wechselprozess nur eine Scheinlogik entfaltet. Bei dieser wird übersehen, dass es wesentliche Unterschiede zwischen Nach­besetzungen von Zulassungen und Nachbesetzungen bei Anstellungen gibt.

Zum Zweiten sind MVZ gerade auch in der Konzeption des Gesetzgebers langfristig organisierte Einheiten, die in aller Regel mittels Anstellung von Ärzten komplexe Versorgungskonzepte verfolgen und eine personenunabhängige Kontinuität der Versorgung gewährleisten. Würde nun jeder ärztliche Personalwechsel – anders als bisher – an eine erneute Bedarfsprüfung gebunden, wird die Planbarkeit für die Einrichtung als Ganzes deutlich eingeschränkt, da keine Verlässlichkeit bestünde, dass die Arztstelle nachbesetzt werden kann.

Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu betrachten, dass gleichzeitig nicht vorge­sehen ist, konkrete Kriterien, woran die Zulassungsausschüsse die Bedarfs­not­wen­digkeit messen sollen, vorzugeben.

Zum Dritten ist zu berücksichtigen, dass durch das Wegfallen einer einzelnen Arztstelle das gesamte Versorgungskonzept, das ein MVZ verfolgt, zerschlagen werden, sowie dass bei sehr kleinen MVZ durch die Verweigerung der Nachbesetzung der zweiten Stelle die Zulässigkeit der ganzen Einrichtung betroffen sein kann. Zu Ende gedacht eröffnet diese Re­gelung letztlich die Möglichkeit, aufgrund der Unvorherseh­barkeit der Auslegung durch den einzelnen Zulassungsausschuss unter entsprechenden Umständen zielge­rich­tet die Existenz von MVZ im Allgemeinen sowie einzelnen Einrich­tungen zu unter­minieren.

Ungeachtet dieser prinzipiellen Ablehnung möchten wir auf die fehlende Verweisung auf § 103 Absatz 3a Sätze 13 bis 14 SGB V hinweisen. Ohne eine solche Bezugnahme auf adäquate Entschädigungsregelungen läge letztlich für den Träger des MVZ eine enteignende Maßnahme vor. Dies halten wir für mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen hinsichtlich des Schutzes von Investitionen und Eigentum nicht vereinbar.

Im Weiteren ist auch zu kritisieren, dass keine Bestandsschutzregelung vorgesehen ist. Und dass – würde man der zugrundliegenden Analogie zum Verfahren nach § 103 Absatz 3a SGB V folgen – die entsprechende Regelung von Ausnahmetatbeständen völlig fehlt.

Es hat viel Kraft und zahlreicher Gespräche mit den Politiker des BMG und im Bundestag bedurft, mit dieser Argumentation so zu überzeugen, dass schlussendlich dieser Passus in der nun beschlossenen TSVG-Fassung nicht mehr enthalten ist.

In dem entsprechenden Änderungsantrag der Koalitionsparteien vom 7. März 2019 (Nr. 39) wird diese Änderung dann auch damit begründet, dass:

"Aufgrund der in der Anhörung gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen auf Anstellungen und MVZ sowie Bedenken hinsichtlich einer praktikablen Umsetzbarkeit dieser Regelung, wird diese Beschränkung gestrichen. Als Folge hiervon ist die Parallelregelung für die Nachbesetzung von AngestelltenArztstellen bei Vertragsärztinnen und Vertragsärzten unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten ebenfalls zu streichen."

Bericht zum Auftritt von Dr. Peter Velling als
Sachverständiger in der Bundestagsanhörung vom 16.1.2019


Zum Vergrößern, Grafik bitte anklicken.  

 

Ergebnis ist, dass das SGBV an dieser Stelle – also in § 103 ABsätze 4a und 4b – aussieht, als wäre nichts gewesen, da die monatelange Diskussion um die Änderung letztlich gottseidank mit dieser ‚Nicht-Regelung‘ endete.

Zur Grafik links:
Rot markierte Textteile sind erst mit den Änderungsanträgen vom März 2019 in das TSVG aufgenommen worden. Hier wurde die in der Kabinettsfassung fest geplante Regelung wieder gestrichen und der bisherige Wortlaut:
“Medizinischen Versorgungszentren ist die Nachbesetzung einer Arztsstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.“ sozusagen wieder eingesetzt.

Aufgrund dieser Umstände findet diese ausgesprochen positive und wichtige Nachricht für ambulante Versorger auch keinerlei Wiederhall in der aktuellen Berichterstattung zum TSVG-Beschluss. Klar – aus Sicht des Journalisten hat eine Meldung, die hauptsächlich darin besteht, dass alles beim Alten bleibt, wenig Neuigkeitswert.


 

Deshalb möchten wir noch einmal herausstellen:

Dass bei der Nachbesetzung von Angestellten nun keine Veränderung erfolgt ist, war alles Andere als eine Selbstverständlichkeit. Insofern sind wir hier auch den Gesundheitspolitikern von CDU/CSU und SPD dankbar, dass sie sich für die Auseinandersetzung mit unseren Argumente Zeit genommen haben und darüber hinaus bereit waren, die feststehenden  Planung des Bundesgesundheitsministerium an dieser Stelle zu überarbeiten.

Das Ergebnis ist auch als ein erneutes Bekenntnis pro MVZ zu verstehen, oder, wie der Vorsitzende des Gesundheitsauschusses des Bundestages es in seiner Pressemeldung vom 19. März 2019 (Quelle) formuliert:

"Das TSVG positioniert sich auch eindeutig zu Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) als Versorgungsform der Zukunft."

Der angestellte Arzt‚ als Strukturelement vieler kooperativ aufgestellter Arztpraxen und MVZ ist dabei – auch das wurde implizit bekräftigt – ein wichtiges Element moderner Versorgung.


 

Klar ist aber auch:

Hier bleibt auf Dauer viel Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten. Wir sind dazu bereit und gern kompetenter Ansprechpartner.