BMG greift Initiative zur Gleichstellung
angestellter Ärzte bei der KV-Mitgliedschaft auf

‚Gesetz zur Stärkung der Handlungsfähigkeit und Aufsicht über die Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der GKV‘ lautet der Langtitel des kürzlich vorgelegten BMG-Referentenentwurfs.

Eine Überschrift, die in den Reihen der Selbstverwaltung für Zunder sorgt. Zu Recht? Aus Sicht der ärztlichen Spitzenorganisationen auf alle Fälle. Aus Sicht von MVZ, BAG und im Namen der angestellten Ärzte vielleicht ein Glücksfall. Letztlich sind sie es, die in den Kassenärztlichen Vereinigungen gern mal „übersehen“ oder „wegdiskutiert“ würden. Dies geht so weit, dass nach Extremaussagen den angestellten Ärzten die Mitbestimmungsrechte abgesprochen werden sollten. Dem schiebt der Gesetzesentwurf einen Riegel vor und das ist gut so.

  1. Die Debatte: Vertragsarzt vs. Arbeitsvertragsarzt
  2. Fakten & Hintergründe
  3. Darum geht es beim GKV-SVSG
  4. Weitere Informationen

Die Debatte:
Vertragsarzt vs. Arbeitsvertragsarzt

Angestellte Mediziner und selbständig niedergelassene Ärzte üben denselben Beruf in einem sehr verschiedenen berufsrechtlichen Status aus. Damit verbunden tragen die einen Ärzte gleichzeitig eine nicht unerhebliche unternehmerische Verantwortung, während die anderen einer klassischen abhängigen Beschäftigung nachgehen.

Gestritten wird, inwieweit diese Unterschiede relevant für das Verhältnis zur Selbstverwaltung sind, bzw. sein sollten. Tatsächlich gibt es Argumentationslinien, denen gemäß angestellten Ärzten vor allem das Recht abgesprochen wird, über die Honorare niedergelassener Ärzte mitentscheiden zu dürfen. Übersehen wird dabei jedoch, dass es keine ‚Honorare für niedergelassene Ärzte‚ gibt, sondern nur Honorare für Ärzte – denn eine entsprechende Unterscheidung bei der Leistungsabrechnung der Mediziner existiert nicht. Wieso also angestellten Ärzten die Mitbestimmung über die Verteilung der Honorare verwehrt werden soll, erschließt sich argumentativ nicht.

Dennoch wird solcherart von einigen Facharztverbänden diskutiert. Auch deren Dachverband ist in diesem Sinne bei der Anhörung zum Entwurf aufgetreten. Verbunden mit der zusätzlichen Forderung, das Mitgliedsrecht der angestellten Ärzte allgemein vom Wahlrecht zu trennen. Was auch zeigt, worum es im Kern der Debatte geht: Wenn immer mehr angestellte Ärzte an den KV-Wahlen teilnehmen, könnte das bisherige Meinungsmonopol der niedergelassenen Vertragsärzte auf mittlere Sicht kippen. In der Tat. Inwieweit es sich jedoch mit den demokratischen Grundsätzen unserer Republik verträgt, aus dieser Sorge heraus, einfach einzelne Wählergruppen von der Wahl auszuschließen, mag jeder für sich beantworten.

Die KBV anerkennt dagegen in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf, dass die beabsichtigte Streichung ‚der zunehmenden Bedeutung der angestellten Ärzte in der ambulanten Versorgung Rechnung trägt‘. Gibt jedoch zu bedenken, dass dann Ärzte mit nur geringem ambulantem Tätigkeitsumfang dieselben Teilhaberechte erhielten, wie Ärzte mit vollem Versorgungsauftrag. Ja und! – mag man da rufen. Ist das nicht gerade das Wesen von Demokratie?

In jedem Fall wird von der KBV auch weiterhin eine Mindesttätigkeitsgrenze für den Anspruch auf volle Mitgliedsrechte gefordert. Obwohl sie in ihrem kurzen Statement gerade zwei Sätze davor einräumt, dass die angedachte Regelung nur das auf angestellte Ärzte erstreckt, was unstrittig seit ehedem für ermächtigte Ärzte gilt – nämlich die volle KV-Mitgliedschaft ab der ersten Stunde, in der der Arzt ambulant tätig wird. Es erscheint schleierhaft, wie ein solches Zweierleimaß argumentativ aufrecht erhalten werden kann.

Die Standpunkt des BMVZ ist an dieser Stelle sehr eindeutig pro der vorgeschlagenen Streichung – ist doch die Gleichstellung angestellter Ärzte gegenüber ihren niedergelassenen Kollegen eine seiner beständigen Kernforderungen. Auch steht zu befürchten, dass eine ärztliche Selbst­verwaltung, die wesentliche Personengruppen der Ärzteschaft nicht einbindet, mittelfristig erodiert und sich ohne Not ihrer aktiven und passiven Legitimations­grundlage beraubt.


Fakten & Hintergründe

Als zum Jahr 2007 für MVZ und Praxen die Möglichkeit eingeführt wurde, als Arzt  ambulant in Teilzeit tätig sein – vorher undenkbar – stellte sich die Frage, wie solche neuartigen Arbeitsverhältnisse innerhalb der Selbstverwaltung der KVen abgebildet werden sollen. Bis dato war die Mitgliedschaft der KV ein Automatismus für jeden ambulant tätigen Arzt – der jedoch für die Teilzeitärzte, die oft gleichzeitig auch im Krankenhaus tätig waren, in Frage gestellt wurde.

Man einigte sich letztlich darauf, diese Regelung künftig nur auf  diejenigen angestellten Ärzte zu übertragen, die ambulant „mindestens halbtags beschäftigt sind.“

§ 77 Absatz 3 SGB V:

Die zugelassenen Ärzte, die … angestellten Ärzte, … und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden ermächtigten Krankenhausärzte sind Mitglieder der für ihren Arztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Voraussetzung der Mitgliedschaft angestellter Ärzte in der für ihren Arztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung ist, dass sie mindestens halbtags beschäftigt sind.

Viertelärzte, also Mediziner mit einem Bedarfs­planungsstatus von 0,25, erhielten somit keine Mitgliedsrechte – jedoch alle Mit­glieds­pflichten – von denen zuvorderst die Verpflichtung zur Leistung des Mitgliedsbeitrages zu nennen ist. Aber auch bei den ‚Halb-Ärzten‘ kam es in der Folge zu Auslegungs­schwierigkeiten, da die Frage, ab wann ein Arzt als ‚halbtags beschäftigt‘ gilt, in den KVen unterschiedlich ausgelegt wurde.

Dabei geht es verbunden mit der Mitgliedsfrage um sehr wesentliche Fragen des Miteinanders in der ambulanten Ärztewelt. Denn, da die KVen aufgrund ihrer Konzeption als ärztliche Selbstverwaltung für die Sicherstellung und Gewährleistung der ambulanten Versorgung die alleinige Verantwortung tragen und damit über sehr große Entscheidungsgewalt und Regelungskompetenz verfügen, kann und darf es nicht egal sein, wie der Willensbildungsprozess innerhalb den KVen abläuft.

Aus diesem Grund hat sich der BMVZ schon seit Langem für die Mitbestimmungsrechte der angestellten Ärzte engagiert. Entsprechend wurde eine einheitliche Anwendung des § 77 III SGB V auf Basis der Bedarfsplanungsrichtlinie gefordert, aber auch der Ausschluss der Viertelärzte generell in Frage gestellt.

Mit dem vorliegenden Entwurf hat das Bundesministerium diese Initiativen aufgegriffen. Vorgeschlagen wird die Streichung von § 77 Absatz 3 Satz 2 SGB V, der bisher die Mitgliedschaft angestellter Ärzte in der KV unter die auslegungsbedürftige Bedingung  der Halbtagsbeschäftigung stellt. Bei einer entsprechenden Umsetzung wären somit künftig alle angestellten Ärzte voll berechtigte  KV-Mitglieder.


Darum geht es beim GKV-SVSG

Mit dem verkürzt als Selbstverwaltungsstärkungsgesetz oder GKV-SVSG bezeichneten Projekt reagiert die Bundespolitik mit Verve auf die zunehmend kontrovers ausgetragenen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten der letzten Jahre innerhalb des KV-Systems sowie zwischen den GKV-Spitzengremien und dem BMG. Erklärtes Ziel ist entsprechend, staatliche Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten zu etablieren, die sicherstellen, „dass im Falle der Unver­einbarkeit des Handelns einer der betroffenen Körperschaften mit Recht und Gesetz derartige Sachverhalte schnell und umfassend beseitigt werden können.

Für die Frage der Zukunft der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, die vom ihrem Selbstverständnis her von Fremdeinflüssen frei bleiben sollte, ist das – ohne Zweifel – von hoher Relevanz und gleichzeitig sehr streitbar.


Weiterführende Informationen

Download:
BMVZ-Problemaufriss Mitgliedsstatus angestellter Teilzeit-Ärzte

Direktlink:
BMVZ-Artikel: Keine halben Sachen in Punkto Mitgliedschaft

Direktlink:
ÄrzteZeitung: Sind Ärzte in Teilzeit außen vor?