BMVZ.IMPFDialog:
AstraZeneca in der Praxis verimpfen – Fragen zum Start

Der BMVZ-Vorsitzende Peter Velling ist im Hauptberuf Hausarzt und Allergologe und als solcher von Beginn an medizinisch und organisatorisch in die Corona-Impfkampagne eingebunden.

In den letzten Monaten hat er als koordinierender Arzt die sechs Berliner Impfzentren betreut und dabei auch das Wechselspiel rund um die Impfung mit dem AstraZeneca-Wirkstoff live begleitet. Jetzt impft er, wie so viele Kollegen auch, Patienten in seiner Praxis.


Mehr Informationen?
Corona-Impfung in Praxis & MVZ:
Arbeitshilfen & besondere Fragen


Was das organisatorisch für Fragen aufwirft – insbesondere wenn ab Kalenderwoche 16 (Auslieferung ab 19.04.) die Praxen zwei Impfstoffe parallel erhalten – und wie dieser neuen Herausforderung begegnet werden kann, diskutieren wir mit ihm.


Dr. med. Peter Velling

Themenschwerpunkte:
Bedeutung für die Praxisorganisation
Skepsis gegenüber Vaxzevria |
Handling zweier Impfstoffe parallel |
Ablauforganisation |

Einsatz des Impfstoffes
Vaxzevria für Unter 60-Jährige? |
Wie begnet man Wirkstoff-Skeptikern? |

Bedeutung für die Praxisorganisation

Als impfender Hausarzt erhalten Sie nächste Woche neben Biontech-Vakzinen - ob Sie wollen oder nicht - auch Astraszeneca-Impfdosen: Stellt Sie das vor ein Problem?

Noch nicht, da auch genügend über 60jährige zum Impfen anstehen und ab 60 keine Thrombosen mehr auftraten. Weder im Corona Impfzentrum Berlin-Tempelhof (nur Astra Impfstoff)  fehlen zu Impfende, noch in der Praxis sehe ich es derzeit als größeres Problem.

Interview mit Dr. Peter Velling v. 10.04.2021 | RBB24
„Bisher hat niemand Nein gesagt und alle sind zum Termin gekommen“

 

Was bedeutet das für die Praxisorganisation? Ist nicht zu befürchten, dass die Ärzte auf Impfdosen sitzen bleiben, weil viele Patienten inzwischen vor Vaxzevria (AstraZeneca) zögern?

Aktuell sehe ich das nicht. In der Priorisierungsgruppe, die im Moment geimpft wird, ist aber auch von einer hohen Motivation auszugehen. Ob das so bleibt? Johnson & Johnson oder Sputnik V als weitere Vektorimpfstoffe stehen aber nicht kurzfristig als Alternative zur verfügung.

Fakt ist: Zwei Impfstoffe machen aber auf jeden Fall organisatorisch mehr Arbeit für die Praxen. Zubereitung und Lagerung der Impfstoffe ist verschieden, die Abstände zur Zweitimpfung und die Zahl der Spritzen aus einem Vial (6 – 11). Bisher planen wir mit festen Impftagen nach der angekündigten Menge, die wir dann in sechs Wochen (bzw. 12 bei AstraZeneca) mit den gleichen Patienten zur Zweitimpfung wiederholen. Das mit zwei Impfstoffen zu koordinieren, geht gar nicht einfach aufgrund des verschiedenen Wochenabstandes. Schauen wir mal

Übersichtsseite der Arzneimittelkommission der Dt. Apotheker
Informationen zur Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen

Der Hausarzt.digital
Checkliste zum Impfstart | Aushang für Patienten | Erste Erfahrungen (Audio)

 

Ganz konkret, wie bereitet sich Ihr Praxisteam auf die Impforganisation vor. Haben Sie irgendeinen besonderen Tipp?

Ob der besonders ist? Wir haben einen Verantwortlichen, der die Impftage plant und die Plannungsliste aus dem ganzen MVZ abarbeitet. Nachdem er von der liefernden Apotheke weiß, wieviel Impfstoff wir in der kommenden Woche erhalten, plant er Räume, Personal und lädt die Patienten entsprechend der Prioritätenliste mit Uhrzeit ein. Dabei stellt er klar, ob sich die Patienten Einverständnis und Aufklärungsbogen online laden oder zugeschickt brauchen, um ihn zum Impfen ausgefüllt mitbringen.

Am Impftag hat bisher unser Personal die Impfungen vorbereitet. Dies soll zukünftig von der Apotheke zur Impfung fertig geliefert werden. Chargenaufkleber haben wir vom Hersteller bekommen (Biontech) und uns ausreichend Impfstempel und gelbe Impfbücher bestellt. Wir nutzen drei benachbarte Zimmer je mit einer MFA und einem Arzt, der durch die drei Zimmer pendel. Sie/Erübernimmt die Aufklärung verbliebene Fragen übernimmt, die Papiere sichtet und unterschreibt. Die Impfung führen die MFA durch, die auch bisher schon häufig geimpft haben.

KV Rheinland-Pfalz – Erklärvideos (tonlos)
Impfung Ablauf | Wie schützt die Impfung | (PDF) QR-Codes zu beiden Videos

Deutscher Hausärzteverband
Corona trifft Praxis und Recht (PDF – Stand 31.03.2021)

Einsatz des Impfstoffes 

Ist das eventuell auch eine Chance gerade die Patienten unter 60 anzusprechen und dort gegen die Stiko-Empfehlung für Vaxzevria zu 'werben'?

Ich würde es nicht ernsthaft überlegen, sondern dies auf diejenigen medizinisch begründeten Ausnahmen beschränken, wo ein Vektorimpfstoff statt mRNA benötigt wird. Ich sehe 2-3 zu Impfende pro Woche, die möglicherweise mit Anaphylaxie auf den mRNA-Impfstoff reagieren könnten. Dann tauschen wir auf Vektor und vice versa. Die Produkthaftung des Herstellers kann erlöschen, wenn man sich nicht der Zulassung gerecht verhält. Das wäre wie off label und weder ich noch meine Versicherung wollen das Risiko übernehmen.

Der Hausarzt.digital v. 14. April 2021
Astrazeneca für „U60“? – Hausärzte sollen Ausnahmen entscheiden

Deutscher Hausärzteverband
Überblick Impfschadensrecht (PDF – Stand 13.04.2021)

 

Zurückgreifend auf Ihre Erfahrungen mit den Impfungen im ersten Quartal, die Sie in den Impfhallen begleitet haben, würden Sie STIKO-konform über 60-jährigen die Impfung empfehlen und wie überzeugen Sie Skeptiker?

Ich sehe – ehrlich gesagt – sehr wenig Skeptiker in der Praxis oder im Impfzentrum. Sie haben sich ja zum Termin angemeldet und wissen welcher Impfstoff genutzt wird. Sie kennen auch die umfangreichen (bundeseinheitlichen) Aufklärungs- und Einverständnisunterlagen und haben meist ihr Einverständnis schon vorab erklärt. Es mag der Eindruck von Fließbandarbeit beim Impfen entstehen, aber für das persönliche Gespräch haben wir genug Zeit. Diese persönliche Behandlung wird auch sehr positiv überrascht von den Geimpften zurückgemeldet. Manchmal muss ich nur die vielen Gerüchte durch medizinisches Wissen, STIKO Empfehlungen, Fachinfo zum Impfstoff sortieren. Das überzeugt am besten.

Wie sich diese Frage aber kommende Woche in den Praxen auswirkt, bleibt tatsächlich abzuwarten. Vermutlich spielt auch eine Rolle, welche Haltung der Impfarzt selbst gegenüber dem konkreten Impfstoff einnimmt. Dass aber einige Praxen bereits jetzt erklärt haben, sich zu weigern, AstraZeneca abzunehmen oder zu verimpfen, kann ich persönlich und medizinisch nicht nachvollziehen. Die Bemühungen von RKI, PEI und STIKO gehen doch gerade in die Richtung, es in Deutschland so sicher wie möglich zu machen, selbst unter Inkaufnahme, dass insgesamt langsamer aber eben maximal sicher geimpft wird.

Universität Bristol
Das Kommunikationshandbuch zum COVID-19-Impfstoff

Robert-Koch-Institut
Faktenblatt & Patienten-FAQ COVID-19-Impfung mRNA (PDF)
Faktenblatt & Patienten-FAQ COVID-19-Impfung vektorbasiert (PDF)

Merkur v. 15. April 2021
10 000 Impfdosen Astrazeneca: Hausärzte greifen zu, üben aber auch Kritik

„Mehrere der befragten Ärzte stellen fest, dass sich Vorbehalte gegenüber Astrazeneca im Gespräch oft ausräumen lassen. Allerdings bedeute das einen „erhöhten Zeitaufwand“, (…) Die Praxis erhalte unentwegt Anrufe und E-Mails. Einige Patienten seien auch beim Impftag des Landratsamts gewesen. „Sie wollten aber kein Astrazeneca und sind wieder nach Hause gefahren. Ich habe sie dann aber überreden können. Weil ich auch meine Familie mit Zeneca impfe.“ (…)  300 Dosen hatte von Rebay für seine Praxis bestellt, letztlich sind es nur 100 geworden. (…) Von Rebay könnte noch viel mehr verimpfen. Eine Aussage, die sich mit der anderer Medizinern deckt.“